Faust

Nikolaus Lenau




Nikolaus Lenau Faust Ein Gedicht (Nach der 2. Auflage von 1840)




Der Morgengang


Ein hoher Berg, vom Morgen angeglüht,
Der hell und froh herauf im Osten sprüht;
Ein Wandrer kühn, der dort zum Gipfel strebt,
Von Fels zu Fels im raschen Fluge schwebt.
Was willst du, Faust, auf diesen Bergeszinnen?
Den Nebeln und den Zweifeln dort entrinnen?
Des Abgrunds Nebel werden nach dir schleichen,
Auch dort dir Zweifel an die Stirne streichen.
O freue dich am hellen Sonnenglanze,
Freu dich an seinem Kind, der stillen Pflanze,
Der Alpenlerche, die sich einsam schwingt,
Am Schneegebirg', das durch den Himmel dringt!
Laß Bergeslüfte froh dein Herz durchschauern,
Und sie verwehn dein ungerechtes Trauern;
Laß nicht den Flammenwunsch im Herzen lodern,
Der Schöpfung ihr Geheimnis abzufodern;
O wolle nicht mit Gott zusammenfallen,
Solang dein Los auf Erden ist zu wallen.
Das Land der Sehnsucht ist die Erde nur;
Was Gott dir liebend in die Seele schwur,
Empfängst du erst im Lande der Verheißung,
Nach deiner Hülle fröhlicher Zerreißung! -
Umsonst, umsonst! Die ungestümen Fragen
Ihn ohne Rast von Fels zu Felsen jagen.
Viel Pflanzen hat er schon entpflückt dem Grund,
Und, kaum besehn, geworfen in den Schlund;
Viel Steine schon hat dringend aufgerafft,
Am Fels zerschmettert seine Leidenschaft;
Und manch Insekt zerknickt des Forschers Hand,
Weil's ihm von seiner Schöpfung nichts gestand.
Nun bleibt er stehn und lauscht dem Glockenklang
Vom Tal herauf, und fernem Kirchensang;
Der Glockenruf - die Lieder - mit den Winden
Dem Ohr des Wandrers schwellen und verschwinden;
Und wechselnd horcht er auf der Töne Flucht,
Und spricht hinab in eine tiefe Schlucht:
>>Wie wird mir nun zumut mit einem Mal!
Wie faßt mich plötzlich ungekannte Qual!
Ich fühl's: des Glaubens letzter Faden reißt,
Anweht mein Herz ein kalter, finstrer Geist.
Oh, daß die Töne, die vom Tal sich schwingen,
Mich wie ein Aufschrei bittrer Not durchdringen!
Da unten Wandrer durch die Wüste ziehn,
Und jetzt im Notgezelt, dem Kirchlein, knien,
Und die Verlaßnen rufen sehnsuchtsvoll
Dem Führer, daß er endlich kommen soll.
Ob eure Sehnsucht betet, fluchet, weint,
Der Führer nirgends, nirgends euch erscheint!<<-
Und weiter, höher, steiler treibt die Hast,
Der Unmut fort der Berge trüben Gast,
Auf Klippen, wo den Pfad die Furcht verschlingt,
Wohin verzweifelnd nur die Gemse springt.
Schon kann der Klang vom Tal ihn nicht erreichen;
Doch fernher tönt's von dumpfen Donnerstreichen.
Zu Füßen jetzt dem ungestümen Frager
Erbraust ein sturmversammelt Wolkenlager,
Und wilder stets das Wetter blitzt und kracht;
Er ruft hinab frohlockend in die Nacht:
>>Die Wetterwolken hab ich übersprungen,
Daß sie vergebens mir zu Füßen klaffen,
Nach mir ausstreckend ihre Feuerzungen:
So will ich mich der Geistesnacht entraffen!<<
Da plötzlich wankt und weicht von seinem Tritt
Ein Stein und reißt ihn jach zum Abgrund mit;
Doch faßt ihn rettend eine starke Hand
Und stellt ihn ruhig auf den Felsenrand;
Ein finstrer Jäger blickt ins Aug' ihm stumm,
Und schwindet um das Felseneck hinum.





Der Besuch

Faust und sein Famulus Wagner im anatomischen Theater an einer Leiche Faust
Wenn diese Leiche lachen könnte, traun!
Sie würde plötzlich ein Gelächter schlagen,
Daß wir sie so zerschneiden und beschaun,
Daß wir die Toten um das Leben fragen.
Mein Freund, das plumpe Messer tappt vergebens
Verlaßnen Spuren nach des flücht'gen Lebens.
Längst ist das scheue Wild auf und davon;
Es setzte flüchtig durch den Acheron,
Drin sich dem Jäger seine Spur verloren.
Ich will's nicht länger hier im Walde suchen.
Mir dünkt das Los des blödgeäfften Toren,
Das Los des Forschers wahrlich zu verfluchen.


Wagner
Mir aber dünkt das stille Los des Weisen
Vor jedem andern glücklich und zu preisen.
Und schreiten wir auch ferne noch vom Ziel,
So wissen wir des Wahren doch schon viel.


Faust
Du weißt nicht mehr vom Leben, als das Vieh,
Trotz deiner sämtlichen Anatomie.


Wagner
Ihr scherzet, Meister; welch ein Hochvergnügen,
An dieser frischen Leiche zu erfahren,
Wie all die feingewebten, wunderbaren
Gebilde sich so schön zusammenfügen;
Wie sein Geschäft ein jegliches Organ
Einträchtig übt, dem Ganzen untertan.


Faust
Dich mag beglücken, Freund, das tiefe Wissen,
Daß dieser Tote, als er war gesund,
Das Futter hat gesteckt in seinen Mund,
Und daß er mit den Zähnen es zerrissen.
Auch ist zu deinem Glücke nicht erdichtet,
Der Magen war zum Dauen eingerichtet,
Und daß dazu in dem erwähnten Falle
Getröpfelt aus der Leber kam die Galle,
Und daß die Säfte durchs Geäder kreisen,
Und was noch schlau der Forscher sonst erfrug;
Doch ist die ganze Weisheit nicht genug,
Auch nur den kleinsten Zweifel satt zu speisen.


Wagner
Ich ehre die Natur in ihrem Schweigen;
Erfreut sie mich mit noch so leiser Kunde,
So dank ich ihr aus tiefem Herzensgrunde.
Seht nur, wie diese Nerven sich verzweigen,
Durch die die ew'ge Seele fühlt und denkt,
Gebieterisch des Leibes Glieder lenkt.


Faust
Oft, wenn ich so die langen Forschernächte
Einsam mit stillen Leichen nur verkehrte,
Und in der Nerven sinnigem Geflechte
Eifrig verfolgt' des Lebens dunkle Fährte;
Wenn meinem Blicke dann sich aufgeschlossen
Der Nerven Stamm mit seinen Zweigen, Sprossen -
Da rief mein Wahn, entzückt ob solchem Funde:
Hier seh ich deutlich den Erkenntnisbaum,
Von dem die Bibel spricht im Alten Bunde;
Hier träumt die Seele ihren Kindestraum,
Süßschlummernd noch im Schatten dieser äste,
Durch die sich Paradieseslüfte drängen,
Und Vögel ziehn mit wonnigen Gesängen,
Aus andern Welten lieblich fremde Gäste.
Kaum aber ist vom Traum die Seel' erwacht,
Wird glühend ihre Sehnsucht angefacht,
Die süße Frucht den Zweigen zu entpflücken,
Unheilbar ihren Frieden zu zerstücken.
Ich will, so rief ich, diese Frucht genießen,
Und wenn die Götter ewig mich verstießen!


Mephistopheles
(als fahrender Scholast plötzlich zur Tür herein)
Ha! ha! Herr Anatom, recht fein und zierlich!
Des Baumes vom verlornen Paradiese
Steckt die fatale Wurzel Euch possierlich
Im Schädel eingepflanzt als Zirbeldrüse?


Faust
Wer ist es, der so spät hier ein sich findet,
Da schon die Glocke zählte Mitternacht?
Der da so laut herein zur Türe lacht,
Und mein zu spotten frech sich unterwindet?
Ich sprach von einem Traum aus frühern Tagen; -
Verloren ist zusamt dem Paradies
Der Baum der Wahrheit;


Mephistopheles
wenn nicht all die Sagen
Die Lüg' aus alter Zeit herüberblies.
Verzeiht, daß ich so spät mich eingedrungen.
Auch ich bin Arzt, des Kuren oft gelungen.
Es macht mir Spaß, des Nachts mit klugen Leuten
Das Menschenlos zu prüfen und zu deuten.


Faust
O unglückselig Wort: das Menschenlos!
Ich fühl's in seiner ganzen Bitterkeit.
Vom Schoß der Mutter in den Grabesschoß
Jagt mich die ernste, tiefvermummte Zeit,
Die dunkle Sklavin unbekannter Mächte.
Sie spricht kein Wort auf alle meine Fragen,
Gleichgültig meinem Fluchen und Verzagen,
Stoßt sie mich weiter durch des Lebens Nächte.
In meinem Innern ist ein Heer von Kräften,
Unheimlich eigenmächtig, rastlos heiß,
Entbrannt zu tief geheimnisvoll'n Geschäften,
Von welchen all mein Geist nichts will und weiß.
So bin ich aus mir selbst hinausgesperrt,
Und stets geneckt von Zweifeln und gezerrt,
Ein Fremdling ohne Ziel und Vaterland,
Indem ich schwindelnd, strauchelnd fort mich quäle
Zwischen dem dunkeln Abgrund meiner Seele
Und dieser Welt verschloßner Felsenwand,
Auf des Bewußtseins schmalem, schwankem Stege,
Solang dem Herz belieben seine Schläge.


Mephistopheles
Euch grämt, daß Kräfte rüstig in Euch schaffen;
Und Euch nicht lassen in die Werkstatt gaffen!
Was kümmert's Euch, woher's die Kräfte geben
Und wie bereiten, was Ihr braucht zum Leben?
Der Geist soll einem Kavaliere gleichen,
Dem, was er braucht, die Untertanen reichen,
Der aber nicht begierig ist zu schauen,
Wie sie viehzüchten und die Felder bauen.
Doch ist vergeblich Forschen Euch verleidet,
Wie kommt's, daß Ihr an dieser Leiche schneidet?


Faust
Wer was Verlegtes sucht in seinem Zimmer,
Kehrt wieder an die alte Stelle immer,
Wo er schon oft vergebens hat gesucht;
So zog mich stets mit kläglichem Betrug
Zu Leichen ein geheimer Hoffnungszug.
Nun aber sei die Stunde mir verflucht,
Die je mich äfft hier am versteckten Aase!


Mephistopheles
Die Wissenschaft, die sich von Leichen nährt,
Da habt Ihr recht, ist nicht der Mühe wert,
Daß Ihr damit behelligt Eure Nase.


Faust
Warum doch muß in meiner Seele brennen
Die unlöschbare Sehnsucht nach Erkennen!
Nichts ist die Wissenschaft; doch wo ist Rettung
Aus meiner Zweifel peinlicher Verkettung?


Mephistopheles
Mein wackrer Mann, ich find an dir Behagen,
Drum will ich dir ein Wort des Trostes sagen:
Dein Schöpfer ist dein Feind, gesteh dir's keck,
Weil grausam er in diese Nacht dich schuf,
Und weil er deinen bangen Hülferuf
Verhöhnt in seinem heimlichen Versteck.
Du mußt, soll sich dein Feind dir offenbaren,
Einbrechen plötzlich als ein kühner Frager
In sein geheimnisvoll verschanztes Lager,
Mußt angriffsweise gegen ihn verfahren.
Willst du in deines Feinds Entwürfe dringen,
So mußt du ihn durch tapfern Angriff zwingen,
Daß er die stumme, starre Stellung bricht,
Und, aufgereizt, sich endlich rührt und spricht.
Du mußt entweder dieses Erdenleben
Vertaumeln dumpf in viehischer Geduld;
Wo nicht, dich als entschloßner Mann erheben
Und kühn zur Wahrheit dringen durch die Schuld.
Wer glaubt, gehorcht, des Fragens sich bescheidet,
Als frommes Rind sein Plätzchen Wiese weidet,
Dem wird wohl nimmer mit dem Futtergrase
Die Wahrheit freundlich wachsen vor die Nase.
Den Menschen gab der ewige Despot
Für ihr Geschick ein rätselhaft Gebot;
Nur dem Verbrecher, der es überschritten,
Wird's klar und lesbar in das Herz geschnitten.
Hast du den Mut, um diesen Preis zu wetten,
So kann dich dies mein Wort vom Zweifel retten.
(Er verschwindet)


Wagner
Gott sei mit uns! - wer war der fremde Mann?
Wo ist er hin? mir graut von seinem Worte,
Daß ich das Messer nimmer halten kann.
Er kam und ging durch die verschloßne Pforte.
Welch ein Gesicht, so fahl und grimmig kalt!
Wie hat sein Blick so schrecklich mir gestrahlt!
Versuch uns nicht, o Himmel, und erlöse
Vom übel uns; ich mein, es war der Böse.


(Er bekreuzt sich)


Die Verschreibung


In eines Urwalds nie durchdrungner Nacht
Saß Faust auf einem Stamm, bemoost, vermodert;
Wildhastig gräbt sein Geist, der Wahrheit fodert,
Im labyrinthischen Gedankenschacht.
Das Auge zu; die festgeballten Hände
Sind an die Stirn gepreßt mit starrem Krampfe,
Als wollten helfen sie dem Geist im Kampfe,
Eindrücken seines Kerkers Knochenwände.
So saß der dumpfe Forscher manche Stunde,
Von seinen Zweifelqualen stets betäubter;
Bedenklich schütteln über ihm die Häupter
Die alten Eichen in verschwiegner Runde.
Nun springt er plötzlich auf von seinem Sitze,
Sein Aug' durchstarrt die öden Waldesräume
Und schießt umher im Dunkel Zornesblitze,
Und also fährt er scheltend an die Bäume:
>>So sprich, so sprich, verfluchte Säuselbrut!
Sag an: was ist der Tod? was ist das Leben?
Ich find es nicht; mein Geist will Antwort geben,
Doch sie ersauft sogleich in meinem Blut.
Ihr Bäume haftet an der Mutter Brust,
Woraus hervorquillt der Geheimniswust,
Ihr lauschet mit den Wurzeln in den Grund,
Doch gebt ihr nichts aus seiner Tiefe kund.
Steht ihr im Blätterschmuck, ist euer Rauschen
Ein dummbehaglich Durcheinanderplappern;
Zu Winterszeit vernimmt mein gierig Lauschen
Von euren ästen nur sinnloses Klappern.
Ihr kommt, den Wachstum in die Luft zu strecken,
Mit eurem stillen Glück mein Herz zu necken;
In Ast und Krone, Rindenriß und Knorren,
In eurem Blühen, Rauschen und Verdorren,
In Weisen mannigfalt, je nach den Zeiten,
Den alten Rätselkram mir auszubreiten.
Schweigsam verstockt ist alle Kreatur,
Sie weiset und verschlingt der Wahrheit Spur;
Den holden Flüchtling selbst, den rätselhaften,
Der leise nur berührt die Erd' im Fluge,
Ihn können auch die Steine nicht verhaften
In dauernd starrender Kristallenfuge;
Und bei dem Tier ein Narr um Kunde wirbt,
Das frißt und sprießt, das zeugt und säugt, und stirbt.
Ich kann mich nicht vom heißen Wunsche trennen,
Den schöpferischen Urgeist zu erkennen,
Mein innerst Wesen ist darauf gestellt,
In meiner ewigen Wurzel mich zu fassen;
Doch ist's versagt und Sehnsucht wird zum Hassen,
Daß mich die Endlichkeit gefangenhält.
Furchtbarer Zwiespalt ist's und tödlich bitter,
Wenn innen tobt von Fragen ein Gewitter,
Und außen antwortlose Totenstille,
Und ein verweigernd ewig starrer Wille.<<


Ein Mönch
(aus dem Waldesdunkel hervortretend)
Nicht wende an die Kreatur dein Fragen,
Sie weiß, wornach du dürstest, nicht zu sagen.
Was soll dein herber Groll und die Empörung?
Wer betend fragt, gewinnt allein Erhörung.
Dein Donnern weht wie Zirpen der Zikade
Vorüber an dem großen Gott der Gnade.
Willst du den Heiligen schauen und erkennen,
Muß erst Sein Licht in deine Seele brennen,
Durch Seine Kraft allein kannst du Ihn denken;
O möchte segnend sie zu dir sich senken!


Faust
Wenn Er der Angeschaute ist,
Und Aug' und Licht zu gleicher Frist,
So sieht doch nur Er selber sich
In meinem Haus, nicht aber ich.
Verworrne Demut ist das Beten;
Ich will Ihm gegenübertreten,
Beglücken kann mich nur ein Wissen,
Das mein ist und von Seinem losgerissen.
Ich will mich immer als mich selber fühlen;
Nicht soll aus meinem festen Mauerring
Die heilige Meereswoge fort mich spülen
Wie Tau, der leicht am Ufergrase hing.


Mönch
Durch Seine Kraft allein kannst du Ihn finden,
Und mit der Kirche sollst du dich verbinden.


Faust
Was bist du, Mönch, zu stören mich gekommen?
Ich kenn euch wohl und haß euch längst, ihr Frommen!
Willst du ums Haupt dein Zingulum verstohlen
Mir werfen, wie die Schlinge einem Fohlen?
Ich lache dein und spotte ganz gewaltig
Der Metze Babels, alt und mißgestaltig.


Mönch
Zur Kirche, wüstes Weltkind! sollst du kehren,
Daß mütterlich sie dir die bittern Zähren
Des Zweifels trockne, der Verlassenheit,
Die, unbewußt dir selbst, um Hülfe schreit.
O kehre heim zur gläubigen Gemeinde,
Und laß von ihr das kranke Herz dir pflegen!
Rings steht um dich der brüderliche Segen
Und wird dich schützen vor dem wilden Feinde;
Erlösen wird dich im geweihten Bunde
Der Geist des Herrn, lebendige Liebeskunde.


Faust
Ohnmächtig ist und elend auch die Schar,
Wenn jeder einzle aller Weisheit bar.
Die Kunde, die mir Einsamen geschwiegen,
Mit vielen würd' ich sie zu hören kriegen?
Zur Kirche, meinst du, daß ich flüchten soll?
Ei! wartet Gott, gleich einem Bänkelsänger,
Mit Seiner Stimme, bis die Stube voll
Mönch, hebe dich und laste mir nicht länger!


(Wieder allein)
Ist diese Welt dadurch entstanden,
Daß Gott sich selber kam abhanden?
Ist Göttliches von Gotte abgefallen,
Um wieder gottwärts heimzuwallen?
Ist aus urdunklen Ahnungstiefen,
Worin die Gotteskeime schliefen,
Das Göttliche zuerst erwacht,
Und stieg es auf zur Geistesmacht?
So daß Natur in Haß und Lieben
Als ihre Blüte Gott getrieben? -
An dieser Frage hängt die Welt,
Doch hab ich immer sie umsonst gestellt.
Ja! ob die Welt mit ihrem Lauf
Zu nennen ein Hinab? Hinauf?
Ist wohl der ernsten Frage wert;
Wie aber wenn es ein Hinaus?
Des vollen Gottes Ausstrom, überbraus,
Der nie zurück zu seinem Quelle kehrt?
Ob alles Leben ein Verschwenden
Des unerschöpflich Reichen ist,
Das nie mehr wird von ihm vermißt,
Und bald wie ein vergeßnes Spiel muß enden? -
Wenn ich vorbei an einem Kirchhof geh,
Und Gräber mit den Leichensteinen seh,
Und mir das Wechselspiel bedenke,
Das mit den hier Vergeßnen ward getrieben,
Ist's wie ein Blick in eine leere Schenke,
Wo auf dem Tisch die Karten liegenblieben. -
Was ist's? - Man spricht von unglücklicher Liebe,
Wie sie manch armes Herz zu Staub zerriebe;
Ich habe diese Liebe nie gekannt,
Fürs Erdenweib war nie mein Herz entbrannt;
Die unglücklichste, ewig hoffnungslose,
Die Liebe für die Wahrheit ist mein Schmerz.
Vom Himmel fallen nicht Erhörungslose,
So schreit ich, sie zu suchen, höllenwärts.



Faust sprach es aus das grausenvolle Wort,
Riß aus der Brust ein Buch und warf es fort,
Und eine Rolle rafft er nun dafür,
Aus abgebleichtem Schriftenhauf herfür,
Und liest daraus ein dringendes Beschwören,
Daß rauschend sich des Waldes Haar' empören.
Er blickt umher im öden Waldesraume,
Ob er nicht seh' den schauerlich Ersehnten.
Was knistert hinter jenem alten Baume,
Dem sturmgebrochnen, traurig hingelehnten?
Er ist's! am Baum hervor, aus Moos und Moder,
Mit seiner Augen finsterem Geloder,
Der Teufel blickt gewärtig und bereit,
Und streckt sein Haupt in Faustens Einsamkeit.


Mephistopheles
Faust, kennst du noch den Medikus,
Der an der Leich' um Mitternacht
Dich überrascht mit seinem Gruß,
Und dir ein Wörtlein Trost gebracht?
Faust, kennst du mich den Jäger noch,
Der dich auf jenem Berge hoch,
Als du geglitscht vom steilen Rand,
Ergriff und hielt mit fester Hand,
Und stehen ließ verblüfft im Schrecke,
Hinumschwand um die Felsenecke?


Faust
Ich kenne dich, doch ohne Dank;
Mir wäre besser, wenn ich dort versank.


Mephistopheles
Freund, mir gefiel die Leidenschaft,
Die dich hoch über Blitz und Sturm
Von Fels zu Fels emporgerafft
Nach Stein und Blume, Kraut und Wurm;
Wie du in heißer Lieb' entflammt
Für deine rätselhafte Braut,
Die noch dein Auge nie geschaut;
Wie du am Stein dich festgeklammt,
Wie an der Eiswand ohne Halt
Du fest und keck die Hand geballt,
Sie blutig schlugst, im tollen Schweben
Mit deinem Blut dich hinzukleben.
Freund, mir gefiel so heiße Gier,
Und wahrlich, ich gestehe dir,
Wer also mit dem Tode wettet,
Ist wert, daß ihn der Teufel rettet.
Sieh da, noch sind die Hände wund,
Wie du sie hast ins Eis gehackt;
Dies Blut besiegle dir den Bund:
Auf, schreibe frisch den Ehepakt
Mit deines Herzens Purpurnaß
Fürs holde Liebchen Veritas!
Doch hast du was am Boden dort,
Das fort muß, oder ich muß fort.
Was starrst du so auf jenes Buch,
Das du wegwarfst mit einem Fluch?
Was hinterm Baum mich angekündet,
Wonach du hingelauscht, das Knistern,
Vom Feuer kam's das ich entzündet,
Es brennt nach der Scharteke lüstern;
O wirf hinein den eklen Band
Mit allen Liedern und Gebeten,
Geschichtefaslern und Propheten.
Hinein, 's gibt einen lust'gen Brand.


Faust
Hab ich verworfen auch die Schrift,
Ihr Anblick noch das Herz mir trifft;
Durch die mir einst so teuren Zeilen
Hör ich die Winde blätternd eilen;
Sie wecken, wie sie drüber fahren,
Mir Klänge aus vergangnen Jahren:
Als ob die Bibel mahnend wehte
Ans Herz mir Psalmen und Gebete
In wunderbaren Sehnsuchtsklängen,
Fühl ich darin ein bang Bedrängen.


Mephistopheles
Ha, die Gebete waren Wind.
Du sei ein Mann und schnell dich fasse,
Eh ich verachtend dich verlasse;
Der Teufel taugt nicht für ein Kind.
Die Blätter, einst dir noch so teuer,
Wirf sie geschwind in dieses Feuer!
Und sind verbrannt sie ganz und gar,
So streu zur Sühnung dir ins Haar
Die Asche vom geliebten Buch;
Mit einem büßerischen Spruch
Verneige dein geäschert Haupt,
Daß du so dumm warst und geglaubt,
Die Wahrheit, scheu und ewig flüchtig,
Nach der dir heiß die Pulse pochen,
Sie habe, völlig zahm und züchtig,
in diesen Schweinsband sich verkrochen.
Schlag dir die Faust zur Stirne oft,
Daß du so dumm warst und gehofft,
Daß du geträumt hast, der Geschichte
Längst abgewelkte Judenblätter,
Sie dauern grün im Zeitenwetter,
Und daß sie dir noch bringen Früchte,
Die ewig frisch das Herz dir laben,
Weil einer aufstand, der begraben.
Oh, Freund, sei bis zum Tod betrübt,
Daß du so dumm warst und geliebt,
Wie diese Blätter dir geboten,
Den ungeheuren Urdespoten!


Faust
Den Herrn nicht lieben, wäre schwer;
Doch liebt mein Herz die Wahrheit mehr.


Mephistopheles
So, Faust, du hast es recht begonnen;
Die Wahrheit mehr - ist viel gewonnen.
Sieh, wie das Feu'r die Zunge streckt,
Nach dem geweihten Futter leckt; -
Hinein damit, hinein damit,
Und deiner Knechtschaft bist du quitt!


Faust
(wirft die Bibel ins Feuer)
Mich soll der Glaube nimmer locken.
Sie brennt; ihr Zauber ist besiegt;
Der Trost, den sie geboten, fliegt
Zerstreut in grauen Aschenflocken.
Entschieden war mein Sinn zuvor,
Als dich mein Wort heraufbeschwor.
Jetzt wär's zu spät, mich zu bedenken,
Im Herzen noch den süßen Wahn
Unschlüssig feig herumzuschwenken;
Ich schütt ihn plötzlich aus: wohlan,
Ich bin ein Mann, und was ich liebe,
Lieb ich mit vollem Mannestriebe,
Ich lieb's auf Leben und auf Sterben,
Auf Heil und ewiges Verderben.
Wohlan, du letzter Helfer, sprich:
Willst du zur Wahrheit führen mich,
Daß ich ihr Antlitz schauen mag?


Mephistopheles
Ich will; doch schließe den Vertrag.
Das beste Mittel wäre fast,
Du hängtest dich an diesen Ast;
Doch wirst du wohl noch länger wollen
Herum dich treiben auf den Schollen;
Und wenn ich's recht genau bedenke,
Schad' wär's, daß Faust sich jetzo henke.
Dein halbes Leben ist verflossen,
Es ward vergrämelt und vergrübelt,
Einsam in studiis verstübelt,
Hast nichts getan und nichts genossen.
Hast noch die Weiber nicht geschmeckt,
Noch keinen Feind ins Blut gestreckt.
Das Beste, so das Leben beut,
Hast du zu kosten dich gescheut.
Sonst ist des Menschen höchste Lust,
Daß liebend er ein Kindlein mache,
Und wenn er haßt, dem Mann der Rache
Den Dolch zu stoßen in die Brust.
Denn: liebend zeugen, hassend morden,
Ist Menschenherzens Süd und Norden;
Und was dazwischen innesteckt,
Sind Keime, doch zurückgeschreckt,
Sind Sprossen, doch die halben, matten,
Von Totschlag oder von Begatten.
Du warst bis jetzt ein blöder Tor;
Drum höre, was ich schlage vor:
Der alte Zwingherr hält die Erde
In knechtisch frömmelnder Gebärde;
Doch hat mein Erzfeind nicht versagt
In seiner Welt mir freie Jagd.
Verdinge dich mir zum Gesellen,
Und hilf mein Weidwerk mir bestellen,
Ich will dafür bei meinem Leben
Die Wahrheit dir zum Lohne geben,
Und Ruhm und Ehre, Macht und Gold,
Und alles was den Sinnen hold.
Von deiner Seel' es sich versteht,
Daß sie mit in den Handel geht.
Laß bluten die verharschte Hand,
Zu schreiben mir das Unterpfand,
Und daß dazu beitrage jeder,
Reich ich dir diese Hahnenfeder,
Die ich in einem Forste jüngst,
's war grade Sonntag früh, zu Pfingst,
Dem Raubschütz aus dem Hute zog,
Als ihm ins Herz die Kugel flog.
Recht artlich war es anzusehn,
Wie so der Dieb, im dichten Laub
Versteckt, auflauscht dem Wildesraub;
Wie doch vier Jäger ihn erspähn,
Wie er auf sie drei Kugeln sendet,
Von denen jed' ein Leben endet,
Die vierte, ohne Sakrament,
Ihm selber durch die Lungen rennt.
Was ist dir, Faust, du wirst so blaß,
Ging dir zu Herzen gar der Spaß?


Faust
So reiche mir den Hahnenkiel:
Doch laß der Laune freches Spiel,
Die widerlich dein Wort mir salzt.


(Die Feder betrachtend)
Der arme Hahn, voll Liebesnot,
Hat selber sich dem bittern Tod,
Und mich der Hölle zugefalzt.
Hier unterschreib ich den Vertrag,
Weil ich nicht länger zweifeln mag.


Mephistopheles
So recht, mein Faust, es ist geschehn;
Leb wohl, auf frohes Wiedersehn!





Der Jugendfreund

Fausts Wohnung Graf Heinrich von Isenburg und Famulus Wagner, später Faust Wagner
Ihr werdet nimmer ihn erkennen;
Verwandelt ist sein ganzes Wesen,
In jedem Zuge ist zu lesen,
Was ich nicht wage laut zu nennen.
Als wär' er innerlich zerbrochen,
Wich alle Freude von ihm fort.
Der Finstre spricht oft lange Wochen
Mit mir, dem treuen Freund, kein Wort.
Es ist mit großem Herzeleide,
Wenn ich gezwungen von ihm scheide.
Er tat mich lieben und belehren,
Ich werde schwer sein Wort entbehren.
Oh, daß ein Mann von soviel Wissen
Kann sein im Herzen so zerrissen!


Isenburg
Wohl lange hat sich Faust herumgetrieben,
Bin ohne Kunde lang von ihm geblieben.
Vorüber sind zehn Jahresfluchten,
Seit ich und mein geliebter Faust
Die hohe Schule Wittenbergs besuchten
Und in der Schenke manche Nacht verbraust.
Noch steht vor mir sein herrlich Bild.
Wie war er dort so froh, so wild,
Wie war er dort der Erste stets,
Die edle Kraft nur sein Gesetz!
Wie er den alten Professoren,
Den eingeschrumpften Weisheitstoren,
Dem Auditorium zur Freude,
Die hochgetürmten Lehrgebäude,
Des Volksverstandes Burgverlies,
Leicht hauchend in die Lüfte blies!
Und wie sein Geist, voll Forschermut,
Nur nach den höchsten Sternen flog,
So war sein Herz voll edler Glut,
Der schnell die tapfre Klinge zog.
Nicht beugen konnte solchen Mann
Die Zeit, die tief mit ihrer Beute
Zu Füßen ihm vorüberrann;
Und was er war, ist er noch heute.
Und wenn ihn einst der Tod erfaßt,
Tut er's mit zagendem Verdruß,
Wie ein Rebellenknecht erblaßt,
Der einen König morden muß.


Wagner
Und doch ist er ein andrer ganz und gar,
Als er vor wenig Monden war.
Er hat die teure Wissenschaft,
Verkennend seine eigne Kraft,
Und seine Pflichten aufgegeben;
Auf dunklen Bahnen geht sein Leben,
Wohin ich ihn nicht kann geleiten,
Will ich mein Seelenheil nicht auch verscherzen.
Mag auch die Freundschaft gegenstreiten,
Ich scheid von ihm; weiß Gott, mit schwerem Herzen.


Isenburg
Seid Ihr sein Freund, so bleibt ihm treu,
Sein finstres Wesen geht vorbei.
Wie sehn ich mich, o daß er käme!
Daß ich ihn schließ in meine Arme,
Und ihn entreiße seinem Harme,
Und Euch Kleinmütigen beschäme!
War ich sein liebster Freund ihm doch,
Er hielt mich stets vor allen hoch.
Ihr werdet sehn, mir wird's gelingen,
Die Freude wieder in sein Herz zu bringen.


Wagner
Das hoff ich leider! nimmermehr.
Die Freude flieht mit schnellen Sohlen;
Läßt man sie fort so weit, wie der,
So ist sie nimmer einzuholen. -
Seht nur, da liegen noch die Splitter
Vom alchimist'schen Apparat,
Den er im Zorn zerschlug, zertrat;
Wie kränkt' er mich damit so bitter!
Da kam er heim in später Nacht,
Als ich am Herde noch gewacht,
Und so vergnügt mein Feuer schürte,
Und meine Kolben hitzt' und rührte;
Da rief er aus mit wildem Spott:
>>Ist doch die sämtliche Natur
Zu unsrer Qual geschäftig nur,
Ein heimlich tückisches Komplott;
Die Glieder halten fest zusammen,
Daß keins das andre je verrät,
Von ihrem Sinne was gesteht,
Daß sie, geworfen in die Folterflammen,
Den Märtyrtod des Schweigens sterben.<<
Er rief's und hatte mit den Worten
Phiolen, Flaschen und Retorten
Zerschmettert schnell in tausend Scherben.
Herr, so umnachtetem Gemüt
Kein Hoffen mehr auf Erden blüht.


Faust
(hereintretend und auf Isenburg zueilend)
O Freund aus meinen Jugendtagen!
Mein Isenburg! dich sandte Gott!


Isenburg
Mein Faust!
(Sie umarmen sich)


Wagner
Wohl mir, ich hör ihn wieder sagen,
Und ohne Groll, den Namen Gott.


Isenburg
(Faust betrachtend)
Dein Leben traf ein harter Streich;
Mein Faust, wie bist du worden bleich,
Seit ich dich sah zum letztenmal.


Faust
O Freund! du schöner, letzter Strahl
Von meiner Sonne, die versunken!
Wohl bleich, - ich habe Gift getrunken,
Des Zweifels Gift in starken Zügen,
Und meine bösen Würfel liegen.


Isenburg
Nein, nein! mußt wieder dich erheben
Und freuen dich am schönen Leben.
Nicht länger hier so einsam bleib,
Nimm dir ans Herz ein holdes Weib.
O Freund, du kennst die Liebe nicht,
Sie soll dir bringen Trost und Licht.
Ist an der Welt dein Herz erkrankt,
Und wenn dein guter Glaube wankt,
Blick einem Weibe, das dich liebt,
Ins Auge, und dein Gram zerstiebt,
Die Welt wird sich dir freundlich zeigen,
Es werden all die Stimmen schweigen,
Die dich zum Abgrund lockend riefen,
Du blickst in heitre Gottestiefen.
Oh, laß dein Herz an Vaterwonnen
Sich froh zum ew'gen Frühling sonnen.
Was frommt die ungewisse Saat
Der Wissenschaft? was frommt die Tat?
Die leichte Saat verweht der Wind,
Und eine Tat ist doch kein Kind;
Du kannst ihr nicht die Locken streicheln,
Ihr nicht ins liebe Antlitz blicken,
Und ihr mit süßen Namen schmeicheln,
Das warme Haupt ans Herz dir drücken.
Ich hab's erfahren: Weib und Kind
Das höchste Gut auf Erden sind.


Faust
Ich will kein Weib als Braut umschlingen.
Mein Leben ist ein wildes Hadern,
Aus grolldurchgiftet bösen Adern
Soll mir kein Kind, mir gleich, entspringen.
Mir taugt kein Weib voll Lieb' und Treu',
Es ward mein Herz versöhnungsscheu.
Ein Weib, das mir nicht Ekel brächte,
Das müßte fromm sein und im Bund der Mächte,
Mit denen ich in Bruch und Fluch;
Das wär' ein ärgerlicher Widerspruch.
Wenn du das helle, farbenfrohe
Röslein hinpfropfest in den Eichenspalt,
So wird es von der scharfen Lohe
Des Baumes schwarz und mißgestalt.
Kurz, Freund, laß mich damit in Frieden;
Mir dünkt die Welt ein enges Kerkerloch,
Und sollt' ich im Gefängnis noch
Der Blöde sein, mich anzuschmieden?
Für mich ist jedes Glück verloren.
Ich will dir treuen Freund nicht sagen,
Du könntest mich zu schwer beklagen,
Wem ich mein Leben zugeschworen.


Isenburg
O schwör es einem Herzen zu,
Das ohne dich ist ohne Ruh'.
Gedenkst du meiner Schwester noch, Theresen?
Sie war ein zartes Mägdlein noch
Als sie dich sah, und konnte doch
Von deinem Bilde nicht genesen;
Ist nun ein Fräulein herrlich anzuschauen,
Die Zierde aller sächsischen Jungfrauen,
An Seele fromm und himmlisch rein;
Kannst du sie lieben, sei sie dein!
Als einst ich nah dem Tode lag,
Da standst du treulich Nacht wie Tag
Am Bett mir, bis dein seltnes Wissen
Des Todes Armen mich entrissen.
Du hast das Leben mir gerettet,
Ich rette dir den Lebensfrieden,
So ist dein Glück und meins entschieden,
Wir sind auf ewig festverkettet.
Wie freundlich mir die Zukunft glänzet!
Der Liebe und dem Herrn ergeben,
So wollen wir zusammenleben
Auf unserm Schlosse waldumkränzet,
Uns teilen brüderlich in Gottes Segen,
All unsre Freuden treu zusammenlegen.
Faust, freue dich, und reiche mir die Hand,
Mit mir zu ziehen in mein Heimatland!


Faust
Geliebter Freund, du bist umsonst gekommen,
Nun kann mir deine Treue nichts mehr frommen.
Du letzter Strahl aus meinen hellen Tagen,
Kann dich und deine Liebe nicht ertragen;
Du dringst mir in des Busens Finsternisse,
Beleuchtest mir des Herzens tiefe Risse,
Die durch und durch hinab zur Hölle klaffen.
's ist aus! leb wohl! ich muß mich dir entraffen! -


(Faust eilt davon; Isenburg eilt ihm nach; doch Mephistopheles erfüllt das Haus mit schwarzem Nebel, in welchem Faust verschwindet)


Der Teufel

Landstraße Mephistopheles (allein, und dem forteilenden Faust von ferne nachschreitend)
Am Menschen ist's ein mir beliebter Zug,
Daß, wenn's Geschick ihm eine Wunde schlug,
Wenn ein Verdruß die Seele ihm erweicht,
Der Sinnenreiz viel freier ihn beschleicht;
Als wären alsdann seine Tugendwächter,
- Die doch am Ende nur gedungne Fechter -
Vom Schmerz berauscht, verschlafen an der Pforte.
Gewaltig packten ihn des Grafen Worte;
Nun steht's mit meinem Faust am rechten Sprunge,
Ganz durchgeweicht ist mir der arme Junge.
Wogegen er sich lange mochte sträuben,
Dem wird er nun sich rasch entgegenstürzen,
Im Drang sich zu zerstreuen, zu betäuben,
Die Tage des Verdrusses abzukürzen,
Frisch zu verzehren seine Lebenskraft
Im Todestaumel süßer Leidenschaft.
Von Christus ist er los; noch hab ich nur
Zu lösen meinen Faust von der Natur.
Gelingen wird's, ich hab es mir durchdacht:
Tief in die Lust, bevor die Lieb' erwacht!
Mit Weibern zärtlich rohes Spiel getrieben!
Manch Kind gezeugt! - So wird der grade Stand
Sich zwischen Faust und der Natur verschieben,
Und er im Unmut stürmen an den Rand.
Dann faßt die Liebe ihn am steilen Bord,
Und stürzt hinab ihn jählings in den Mord.
Und schlug er der Natur dann manche Wunde,
So läßt sein Stolz ihn nicht Versöhnung suchen;
Nein! weil er sie gekränkt, wird er ihr fluchen
Und los sich reißen wild aus ihrem Bunde.
Ist mir der Bruch gelungen zwischen beiden,
Von jeder Friedensmacht ihn abzuschneiden,
Dann setzt er sich mit seinem Ich allein,
Und in den Kreis spring ich dann mit hinein.
Dann laß ich rings um ihn mein Feuer brennen,
Er wird im Glutring hierhin, dorthin rennen,
Ein Skorpion sein eignes Ich erstechen. -
So wird mein Schmerz am Göttlichen sich rächen,
So will Verstoßner ich mein Leiden kühlen,
Verderbend mich als Gegenschöpfer fühlen.





Der Tanz

Dorfschenke Hochzeit. Musik und Tanz Mephistopheles
als Jäger (zum Fenster herein)
Da drinnen geht es lustig zu;
Da sind wir auch dabei, Juchhu!
(Mit Faust eintretend)
So eine Dirne lustentbrannt
Schmeckt besser als ein Foliant.


Faust
Ich weiß nicht wie mir da geschieht,
Wie mich's an allen Sinnen zieht.
So kochte niemals noch mein Blut,
Mir ist ganz wunderlich zumut.


Mephistopheles
Dein heißes Auge blitzt es klar:
Es ist der Lüste tolle Schar,
Die eingesperrt dein Narrendünkel,
Sie brechen los aus jedem Winkel.
Fang eine dir zum Tanz heraus,
Und stürze keck dich ins Gebraus!


Faust
Die mit den schwarzen Augen dort
Reißt mir die ganze Seele fort.
Ihr Aug' mit lockender Gewalt
Ein Abgrund tiefer Wonne strahlt.
Wie diese roten Wangen glühn,
Ein volles, frisches Leben sprühn!
's muß unermeßlich süße Lust sein,
An diese Lippen sich zu schließen,
Die schmachtend schwellen, dem Bewußtsein
Zwei wollustweiche Sterbekissen.
Wie diese Brüste ringend bangen
In selig flutendem Verlangen!
Um diesen Leib, den üppig schlanken,
Möcht' ich entzückt herum mich ranken.
Ha! wie die langen schwarzen Locken
Voll Ungeduld den Zwang besiegen
Und um den Hals geschwungen fliegen,
Der Wollust rasche Sturmesglocken!
Ich werde rasend, ich verschmachte,
Wenn länger ich das Weib betrachte;
Und doch versagt mir der Entschluß,
Sie anzugehn mit meinem Gruß.


Mephistopheles
Ein wunderlich Geschlecht fürwahr,
Die Brut vom ersten Sünderpaar!
Der mit der Höll' es hat gewagt,
Vor einem Weiblein jetzt verzagt,
Das viel zwar hat an Leibeszierden,
Doch zehnmal mehr noch an Begierden.
(Zu den Spielleuten)
Ihr lieben Leutchen, euer Bogen
Ist viel zu schläfrig noch gezogen!
Nach eurem Walzer mag sich drehen
Die sieche Lust auf lahmen Zehen,
Doch Jugend nicht voll Blut und Brand.
Reicht eine Geige mir zur Hand,
's wird geben gleich ein andres Klingen,
Und in der Schenk' ein andres Springen!



Der Spielmann dem Jäger die Fiedel reicht,
Der Jäger die Fiedel gewaltig streicht.
Bald wogen und schwinden die scherzenden Töne
Wie selig hinsterbendes Lustgestöhne,
Wie süßes Geplauder, so heimlich und sicher,
In schwülen Nächten verliebtes Gekicher.
Bald wieder ein Steigen und Fallen und Schwellen;
So schmiegen sich lüsterne Badeswellen
Um blühende nackte Mädchengestalt.
Jetzt gellend ein Schrei ins Gemurmel schallt:
Das Mädchen erschrickt, sie ruft nach Hilfe,
Der Bursche, der feurige, springt aus dem Schilfe.
Da hassen sich, fassen sich mächtig die Klänge,
Und kämpfen verschlungen im wirren Gedränge.
Die badende Jungfrau, die lange gerungen,
Wird endlich vom Mann zur Umarmung gezwungen.
Dort fleht ein Buhle, das Weib hat Erbarmen,
Man hört sie von seinen Küssen erwarmen.
Jetzt klingen im Dreigriff die lustigen Saiten,
Wie wenn um ein Mädel zwei Buben sich streiten;
Der eine, besiegte, verstummt allmählich,
Die liebenden beiden umklammern sich selig,
Im Doppelgetön die verschmolzenen Stimmen
Auf rasend die Leiter der Lust erklimmen.
Und feuriger, brausender, stürmischer immer,
Wie Männergejauchze, Jungferngewimmer,
Erschallen der Geige verführende Weisen,
Und alle verschlingt ein bacchantisches Kreisen.
Wie närrisch die Geiger des Dorfs sich gebärden!
Sie werfen ja sämtlich die Fiedel zur Erden.
Der zauberergriffene Wirbel bewegt,
Was irgend die Schenke Lebendiges hegt.
Mit bleichem Neide die dröhnenden Mauern
Daß sie nicht mittanzen können bedauern.
Vor allen aber der selige Faust
Mit seiner Brünette den Tanz hinbraust;
Er drückt ihr die Händchen, er stammelt Schwüre,
Und tanzt sie hinaus durch die offene Türe.
Sie tanzen durch Flur und Gartengänge,
Und hinterher jagen die Geigenklänge;
Sie tanzen taumelnd hinaus zum Wald,
Und leiser und leiser die Geige verhallt.
Die schwindenden Töne durchsäuseln die Bäume,
Wie lüsterne, schmeichelnde Liebesträume.
Da hebt den flötenden Wonneschall
Aus duftigen Büschen die Nachtigall,
Die heißer die Lust der Trunkenen schwellt,
Als wäre der Sänger vom Teufel bestellt.
Da zieht sie nieder die Sehnsucht schwer,
Und brausend verschlingt sie das Wonnemeer.





Das arme Pfäfflein


Wie's Völklein in der Stube
Die tollsten Tänze springt,
Und in die Luft der Bube
Zuhöchst die Dirne schwingt,
Verstummt die Geig', verschwunden
Der fremde Weidgesell,
Und wie von hundert Hunden
Erschallt ein laut Gebell.
Am Geigerbänkel sitzend,
Aus roten Augen blitzend,
Sieht einen schwarzen Pudel
Das bange Bauernrudel:
Fausts Hund Prästigiar genannt,
Im Lande weit und breit bekannt.
Doch war's von ihm nur Necken,
Die Leutchen zu erschrecken,
Denn mit geducktem Schädel,
Diskretem Schwanzgewedel,
Der Pudel sich verkriecht
Ins Eck und rührt sich nicht.
Die Bursche haben, lustbetäubt,
Gar bald den Spuk vergessen,
Die Dirnen wieder ungesträubt
Zum Tanze sich vermessen.
Auch sind beschämt die Musikanten
An ihre Bank zurückgeschlichen,
Es werden die beliebt bekannten
Drehwalzer bestens abgestrichen.
O arme Dorfesfiedel,
Dein Ruhm ist nun zerstört!
Wes Ohr einmal gehört
Ein reizend Höllenliedel,
Dem soll die Einfalt schweigen,
Ist schwer zu Dank zu geigen. -
Jetzt durch die Schenke poltert,
Von Eifersucht gefoltert,
Der Hahnrei-Bräutigam,
Dem Faust sein Schätzel nahm.
Er hat den Garten rings durchsucht,
Und aus und ein den Wald durchflucht,
Laut vorgeheult den Winden,
Die Braut ist nicht zu finden.
Arm Hannchen ist verfallen
Der Reue scharfen Krallen,
Denn als des Zaubers Bande
Im vollen Kussesbrande,
Im glühendsten Vereinen
Der Taumelnden sich lösten:
Ergriff sie lautes Weinen,
War sie nicht mehr zu trösten. -
Nun sehn erstaunt die Bauern,
Wie der, auf den sie lauern,
Eintritt mit kaltem Mut.
Er hatte, tanzgeschäftig,
Vergessen seinen Hut,
Den Mantel zauberkräftig,
Sein Fahrzeug durch die Luft;
Und alles: >>packt ihn!<<ruft.
Wie sie den Doktor schnell umringen,
Wie sie die harten Fäuste schwingen,
Die guten Lehren festzunageln,
Die brausend auf den Sünder hageln.
Den Faust jedoch berührt das nicht,
Verachtung lächelt sein Gesicht,
Er donnert ins Getümmel:
>>Still! rührt euch nicht, ihr Lümmel!<<
Da faßt sie alle schnell der Bann,
Und keiner sich bewegen kann,
Und wie gestellt ihn der Verdruß,
Ein jeder so verharren muß:
Die Mäuler sind weit aufgerissen,
Zu schelten drollig stumm beflissen;
Die Fäuste zornzusammgepreßt,
Sie wurzeln in der Luft gar fest.
Als gute Zuchtverfeinerung
War wirksam die Versteinerung;
Denn wie nun Faust den Zauber hob,
Sprach jeder seufzend ein: >>Gottlob!<<
Wie Faust herab sich läßt zu sagen:
>>Wir wollen friedlich uns vertragen!<<
Schleicht jeder mit gesenkter Stirne
Zu seiner Flasche oder Dirne.
Die Bauern werden allgemach
Mit Faustens Näh' vertrauter,
's wird in der Schenke nach und nach
Die Freude wieder lauter;
Der schwarze Pudel kriecht hervor
Zu Faust mit freudigem Rumor,
Bemüht, den Doktor zu erfreuen
Mit seltsamlichen Gaukeleien.
Doch, nun die Tür wird aufgetan,
Und kommt ein junger Wandersmann
Mit einem hübschen Frauenbild,
Und ringsum grüßt, verlegen mild,
Und Wein begehrt, und fasset Platz,
Unweit von Faust, mit seinem Schatz:
Beginnt der Hund zu zittern,
Zu schnuppern und zu wittern,
Und läßt sich nicht bescheiden,
Stets knurrend um die beiden.
Der fremde luftige Gesell
Scheint weidlich froh an seiner Stell',
Er trinkt es seiner Schönen zu,
Sie kosen zärtlich du zu du;
Ihn scheint das frohe Lärmen,
Der goldne Bergwein Guß auf Guß
Stets gründlicher zu wärmen;
Er gibt der Schönen Kuß auf Kuß.
Die Heißverliebten schämen
Mitnichten sich und nehmen
In so behaglichem Besitz
Vom Groll des Hundes nicht Notiz.
Nun aber ist der Pudel frisch
Mit einem Satz auf ihrem Tisch,
Und gierig schnappt Prästigiar
Dem fremden Wandersmann ins Haar,
Reißt ihm vom Kopf sein Häubchen,
Ein rund Perückenscheibchen,
Und trägt dem Mann zu Schimpf und Tort
Faust hin den lustigen Apport.
Weh! wo vom Haupt das Käpplein fuhr,
Kriecht vor verrätrisch - die Tonsur. -
Der Hund verbringt ein grimmig Klaffen,
Bis man den schelmisch geilen Pfaffen
Hat in der Schenke scharf geplagt,
Und samt dem Weib hinausgejagt.





Die Lektion

Hofgarten einer Residenz Des Königs erster Günstling und Minister, Faust, und Mephistopheles als Scholast, in einer Allee spazierend Minister
Geehrte Herrn, ich bin entzückt,
Daß mir zu finden ist geglückt
Ein paar so köstliche Talente.
O daß ich doch die Mittel kennte,
Zu lohnen solche Trefflichkeit!


Mephistopheles
Wir sind zu Eurem Dienst bereit.
Talente, Herr, von unsrer Art
Sind für gemeinen Lohn zu zart;
Für mich und diesen Musensohn
Ist's reichlicher Genuß und Lohn,
Zu sehn, wie unsre Phantaseien
So recht verfangen und gedeihen.


Minister
(zu Faust)
Ihr also, hochgelahrter Mann,
Dem sich kein Stern der Fakultäten
In artibus vergleichen kann,
Ihr seid vorerst von mir gebeten,
An meines Fürsten Trauungsfeier
Zu schmücken morgen Eure Leier
Mit einem feinen, blühend warmen,
Und schmeichelhaften Hochzeitscarmen;
Daß Ihr darin den hohen Geist,
Die unvergänglich großen Werke,
Die Tapferkeit des Königs preist,
Und seine schöne Jugendstärke.
Auch lasset über Eure Saiten
Der Braut erhabne Zierden gleiten,
Mit denen wirklich sie begabt,
Und solche die sie nie gehabt,
So, daß sie selbst nicht unterschiede
Die wahren und die angesungnen
Liebreize in dem schlauverschlungnen
Ganz meisterhaften Hochzeitsliede


Faust
Ich will, was meine Kräfte können,
Das Fest mit einem Liede zieren;
Doch müßt Ihr mir die Ehre gönnen,
Es dann auch selbst zu deklamieren;
Kein andrer spricht wie der Poet
Ein Lied, das ihm von Herzen geht.


Minister
Ihr tätet zwar mir eine Liebe,
Wenn morgen mir die Ehre bliebe,
Was Ihr gedichtet vorzutragen,
Doch will ich dem Gewinn entsagen.


Mephistopheles
Das Lied wird gut, ich steh dafür,
Ihr klopftet an die rechte Tür.


Faust
(abgehend)
Ich will im Schatten jener Fichten
Euch die bestellten Verse dichten.


Minister
(zu Mephistopheles)
Und Ihr, hochpreislicher Scholast,
Ihr wißt gewiß so manches noch,
Was recht in meine Pläne paßt;
Fahrt fort in Euern Reden doch.
Es unterbrach Euch, o verzeiht,
Die Hochzeitsangelegenheit.
Ihr seid mein Mann, noch fand ich nie
Solch ein politisches Genie.
Vielwerter Freund, habt doch die Güte
Und laßt mich weiden an der Blüte
Der Staatsweisheit, die Ihr gefunden
In so beglückten Forscherstunden.


Mephistopheles
Das erste also, wie gesagt,
Wird immer sein: Das Volk geplagt.


Minister
Wenn aber sich das Volk empört?


Mephistopheles
Nur in zwei Fällen bricht's das Gitter:
Wenn Ihr's geplaget allzubitter,
Wenn Ihr's zu plagen aufgehört;
Steht das Euch nicht im hellsten Lichte,
So seid Ihr schwach in der Geschichte.


Minister
Ich geb es zu; doch nennet, was
Gibt uns der Plage rechtes Maß?


Mephistopheles
Ihr Herrscher über Volk und Land,
Das ist der Klugheit rechter Stand:
Verkümmert stets, doch nie zu scharf,
Dem Volk den sinnlichen Bedarf,
Und lenket so all sein Begehren
Nach dem, was Ihr ihm könnt gewähren.
So wird es, nach dem Nächsten greifend,
Niemals weitsichtig, überschweifend,
Nach dem gelüsten frechverwegen,
Was nicht in Eurer Macht gelegen.
Das Volk sich gerne selbst belügt,
Es ist am Ende hochzufrieden,
Und untertäniglich vergnügt,
Wenn ihm des Zwingherrn Huld beschieden,
Was ohne ihn und seine Kette
Das dumme Volk von selber hätte.


Minister
Der Grundsatz klingt für mich entzückend,
Und ist gewiß auch volkbeglückend;
Doch türmen sich ihm allerwegen
Der Feinde gar zu viel' entgegen.


Mephistopheles
Der schlimmste Feind für Euer Wirken
Ist der Gedanke, der da feiert,
Als Vagabund entfesselt steuert
Nach fernen, luftigen Bezirken.
Laßt Ihr ihn ziehn vom Heimatstrand
Fort in die offne, weite See,
So schleppt er Euch zurück ins Land
Das Bild von jener schönen Fee,
Der Freiheit, die auf ferner Insel
Von Geistern wohnt; - das Volk wird toll,
Und: Freiheit! Freiheit! sehnsuchtsvoll
Ruft dann sein Fluchen, sein Gewinsel.


Minister
Wie fügte sich der ewig schwanke,
Nie festzuhaltende Gedanke?


Mephistopheles
>>Verkümmert stets, doch nie zu scharf,
Dem Volk den sinnlichen Bedarf.<<
O haltet fest an diesem Worte.
Wie Weingeistsflamme, der Retorte
Dienstbar, muß Elixiere kochen,
Sollt Menschengeist Ihr unterjochen,
Soll's Feuer Eurer Sklavenköpfe
Dem Magen heizen seine Töpfe.
Will jemals von den Nutzgeschäften,
Daran Ihr müßt die Geister heften,
Sich der und jener dispensieren,
Sich ins Ideenreich verlieren,
Will er in Schriften gar den Knechten
Einraunen was von Menschenrechten:
So müßt Ihr solche Herrscherplagen
In ihrem Keime gleich erschlagen.
Ich rat Euch hier das beste Mittel:
Wie für die Taten einst die Alten
Zensoren hielten, sollt Ihr halten
Zensoren als Gedankenbüttel.
Ja, so ein Zensor, so ein echter,
Ein unerbittlich scharfer Wächter
Und tapferer Gedankenwürger,
Der leider! erst zum Heil der Bürger
In fernen, schönern Zeiten sproßt,
Das wäre so mein Augentrost!
Einst schlief ich unter grünen Bäumen,
Da ist sein Bild mir klar erschienen,
In meinen patriotischen Träumen:
Wie er mit lieben Forschermienen
Gedanken greift auf ihrer Flucht,
Und ihre hüllenden Gewande,
Jed' Fältlein lüftend, streng durchsucht,
Ob sie nicht führen Contrebande
An allerlei verruchten Dingen,
Ob sie ein Liebesbriefelein
Der Freiheit wollen überbringen,
Und ein gefährlich Stelldichein. -
Mir ward in jenen Visionen
Beglückter Zukunft schönster Gruß:
Ich sah das Heer von Maulspionen,
Welch ein prophetischer Hochgenuß!
Wie Jäger, einen Fuchs zu prellen,
Ans Loch des Baus ihm Schlingen stellen,
Drein sich der Lose muß verfangen,
Treibt ihn aus seiner dunklen Schluft
Hinaus vorwitziges Verlangen
Nach freier frischer Waldesluft:
So schaut' ich damals mit Ergetzen
An Menschenmundes offner Pforte
Spione lauern und die Worte
Auffangen mit Verrates-Netzen.
Hat es die Politik gebracht
In ihrer Kunst zu solchen Flügen,
Dann ist begründet Eure Macht,
Dann ist Regieren ein Vergnügen.


Minister
Nur seufzend kann ich nach dem Eden,
Das mir aufblüht in Euern Reden,
Und hoffnungslos hinüberschauen;
Unüberspringlich weite Klüfte
Gräbt mir mein Fürst, der - im Vertrauen -
Etwas gewissenhaft Verblüffte.


Ein Hofbedienter
(mit Erfrischungen kommend)
Verzeihen, Herr Minister, hohe Gnaden,
Daß ich ein Störer, bei des Abends Schwüle,
Aufmerksam dienend, mich gedrungen fühle,
Zu einiger Erfrischung einzuladen.


Minister
(zu Mephistopheles)
Mein trefflicher Kollege, laßt
Euch von dem Obste was belieben;
Ich pfropfte selbst den braven Ast,
Der diese Pfirschen mir getrieben,
So farbig frisch und saftgeschwellt;
Nehmt von den Pflaumen, wenn's gefällt,
Kühlt Euch an dieser edlen Traube,
Gepflückt von meiner Lieblingslaube.


Mephistopheles
Viel Dank, viel Dank; ich find es eben
Im Garten hier nicht gar so heiß,
Wie dieser Bursche vorgegeben
In seinem dienerischen Fleiß.
Natur kommt mit Erfrischungsfrüchten
Etwas post festum angezogen,
Wenn schon die Sommerglut verflogen,
Und 's Laub will von den Bäumen flüchten;
So bringt die Weisheit ihre Kühlung
Im Nachtrab stets der Leidenschaft,
Wenn's aus ist mit der heißen Fühlung,
Wenn schon von selber friert die Kraft,
Und Tod sich nistet in die Glieder.
Auch ist mir überhaupt zuwider
Das Obst, an dem sich Kinder laben,
Und die noch was vom Kinde haben.
Ihr beißet da mit solcher Lust
Den Pfirsich, daß der Bart Euch saftet;
Dran seh ich, was ich längst gewußt,
Daß Ihr noch sehr am Wahne haftet.
Ihr habt noch viel zuviel vom Kinde;
Und weil ich wollt' aus Eurem Herzen
Die letzte Spur vom Kinde merzen,
Darum ich mich vor Euch befinde.


Minister
Ihr seid sehr wunderlich, Scholast!
Ich sah noch niemals Euresgleichen;
Betracht ich Euch genauer, fast
Will mich's unheimlich überschleichen.


Mephistopheles
Laßt das, mein Gönner; lieber seht
Den Burschen hier Euch schärfer an,
Im Knechteskittel angetan,
Wie dem die Sklavenmiene steht!


Minister
(zum Bedienten)
Entferne dich. -


(Zu Mephistopheles)
nonbreakspace nonbreakspace nonbreakspace nonbreakspace nonbreakspace nonbreakspace nonbreakspace nonbreakspace nonbreakspace nonbreakspace nonbreakspace nonbreakspace Ihr habet recht,
Geboren scheint er mir zum Knecht.
Mein Freund, es ist wahrhaftig köstlich,
Und sehr für unsre Hoffnung tröstlich,
Daß so die Menschen ein Behagen
Am Sklaventum im Herzen tragen;
Es ist durchaus nicht zu verkennen,
Sie lernen leichter Sklavensitten,
Als daß sie Freiheit an sich litten,
Für die sie doch so leicht entbrennen.


Mephistopheles
Und also, meint Ihr, müsset freilich
Ihr guten Herren euch bequemen,
Des Herrschens Last auf euch zu nehmen,
Damit die andern recht gedeihlich
Und ungestört dem süßen Triebe
Der Sklaverei sich widmen können;
Den andern ihre Lust zu gönnen,
Seid ihr das Opfer eurer Liebe.
Vergeßt Ihr meine Worte nicht,
Könnt Ihr ein großer Staatsmann werden.
Gebt Eurem Herrn auch Trost und Licht
Zu seinen fürstlichen Beschwerden.
Nun aber kann ich nicht mehr weilen,
Ich muß zu meinem Doktor eilen.





Das Lied

Saal im königlichen Palaste Der König, die Königin und die Großen des Reiches sitzen an der Hochzeitstafel. Allgemeines Vivatrufen und Anklingen mit den Pokalen Der Ministergünstling
(sich von seinem Stuhl erhebend)
Auf einen Wink von Euren Majestäten
Soll in den Saal sogleich ein Sänger treten,
Den ich aus fernem Lande herbeschied,
Zu feiern dieses Fest mit seinem Lied.


Der König
Daß Ihr zum Fest den Sänger uns geladen,
Befestigt Euch in unsern höchsten Gnaden.


Die Königin
Ihr setzet meinen Dank in Eure Schuld;
Nehmt diesen Ring als Zeichen meiner Huld.


Mephistopheles
Das Lied wird gut, ich steh dafür;
Ihr klopftet an die rechte Tür.
(Während der Minister den Ring auf seinen Knien empfängt, tritt Faust mit einer Gitarre ein)


Faust
(singt zur Gitarre)
Griff die Leier hin und her,
Was ein Lied das beste wär',
Nirgends doch die grobe Hand
Feines Schmeichelverslein fand;
Pflücke nun vom nächsten Ast
Euch ein Sprüchlein, bring's zu Gast:
Siecher Mann! hast keinen Leib,
Keine Seel', du blödes Weib!
Drum, du hocherlauchtes Paar,
Paßt zur Hochzeit auf ein Haar
Dir das Sprüchlein: Mann und Weib
Eine Seele und Ein Leib!


(Alle erheben sich unwillig und drohend von der Tafel, Faust und Mephistopheles fahren zum Fenster hinaus; der Minister ist vor Wut und Schreck wahnsinnig geworden, und heult, herumspringend und die Hände ringend, fort und fort:
Mann und Weib
Eine Seele und Ein Leib! -)





Die Schmiede


Faust reitet hin im grauen Dämmerschein
Auf seinem Rappen, sinnend und allein.
Es zieht der Weg durch grüne Wogenfelder,
Durch österreichs erhabne Eichenwälder.
Der Reiter folget ohne Wunsch und Wahl
Dem Weg bergüber und durch manches Tal.
Heiß war am Frühlingstag der Sonne Sengen,
Das Roß ist müde von des Weges Längen,
Und von des Reiters feurigen Gedanken,
Die es gefühlt als Spornstich in den Flanken.
Jetzt duldet Faust dem Rosse seinen Willen,
Es lenkt an einen Bach, den Durst zu stillen.
Der Reiter läßt die losen Zügel sinken,
Das müde Roß am klaren Quelle trinken,
Und er gewahrt mit lächelndem Vergnügen,
Wie seinem Rappen in gedehnten Zügen
Die Flut behaglich rieselt durch die Zähne,
Und wie im Wasser badet seine Mähne.
Zum weitern Ritte faßt er drauf die Zügel,
Von ferne winkt ein Dorf am Waldeshügel. -
Die Dämmerung verliert sich tiefer immer
In stille Nacht, kein Mond, kein Sternenschimmer.
Bald hat das Roß, erquickt von seiner Labe,
Das Dorf erreicht im aufgefrischten Trabe.
Die Häuser decket schon ein trauter Friede,
Nur brennt noch frisch das Feuer in der Schmiede.
Die Eisenstange glüht in hellem Glanz,
Vom lauten Hammer springt der Funkentanz.


Faust
(in die Schmiede tretend)
Ich grüß Euch, hämmernder Kumpan!
Ihr seid doch früh und spät geschoren.
Schlagt meinem Roß ein Eisen an,
Das auf dem Waldweg ging verloren!


Meister
Seid schön gegrüßt, mein edler Gast!
Ja, wohl muß unsereines hämmern,
Wenn längst der Tag hat seine Rast,
Wie bei des Morgens frühstem Dämmern.
Doch sind wir fröhlich, schwing ich doch
Den Hammer für mein Weib und Kind,
Und ruht nun endlich das Gepoch,
Umfaßt ihr Arm mich lieb und lind.
Und meine rüstigen Gesellen
Erklopfen redlichen Gewinn,
Und haben stets dabei im Sinn,
Sich auch ein Ehbett aufzustellen.


Faust
Ihr sollt den Rappen mir beschlagen,
Kam nicht nach Eurer Eh' zu fragen.
Hemmt Eure rasche Plauderflut!


Meister
Verzeiht, war Euch mein Wort zur Last.
Das Eisen liegt schon in der Glut,
Gleich wird's dem Hufe angepaßt.
Ich bin ein einfach plumper Schmied,
Der leicht die rechte Art versieht.
Hier aber tritt aus ihrer Stube
Mein Weib, das Euch begrüßen will;
Auf ihrem Arm mein jüngster Bube.
Nun bin ich gerne wieder still.
Der Anblick, Herr, Euch doch erzählt,
Daß mir's im Haus an Glück nicht fehlt.


Schmieds Frau
Mein Herr, ich grüß Euch untertänig!
Verargt mir nicht, daß ich ein wenig
Will solchen seltnen Gast beachten
Und seine Kostbarkeit betrachten.
Die schwarze Feder am Barette!
Am Hals von Gold die schwere Kette!
Die unsers Bischofs ist geringer!
Viel Ring' an beiden Händen blitzen,
Gar edle Stein', Ihr habt ja sitzen
Schier Haus und Hof an jedem Finger!


Faust
Das Weib mit ihrem Kindelein,
Umglüht vom hellen Essenschein,
Gefällt mir wahrlich gar nicht übel;
Ich grüß Euch, Frau, und Euer Bübel!


Meister
Hier, edler Herr, beschlag ich Euch
Das Roß; doch gönnt mir meine Bräuch',
Ich singe gern dazu das Lied
Von einem guten alten Schmied.
(Er singt, indem er das Roß beschlägt)
Fein Rößlein, ich
Beschlage dich.
Sei frisch und fromm,
Und wieder komm!



Trag deinen Herrn
Stets treu dem Stern,
Der seiner Bahn
Hell glänzt voran!



Bergab, bergauf
Mach flinken Lauf;
Leicht wie die Luft
Durch Strom und Kluft!



Trag auf dem Ritt
Mit jedem Tritt
Den Reiter du
Dem Himmel zu.



Nun, Rößlein, ich
Beschlagen dich:
Sei frisch und fromm,
Und wieder komm!


Faust
Mein guter Schmied, wenn Euer Eisen
Nicht fester haftet an der Mähre,
Als Eure weise Sittenlehre,
So wird's nicht lange mit mir reisen.


Meister
Ich meine, Herr, ein frommer Segen
Tat manchem gut auf seinen Wegen;
Da aber sei Gott gnädig vor,
Daß er an Euch die Kraft verlor!


Faust
Was Ihr da schwatzt von Gottesgnade,
Klingt meinen Ohren matt und fade.
Da, nehmt für Eure Müh' den Lohn,
Führt vor mein Roß, ich will davon.
(Reicht ihm ein Goldstück)


Meister
Ihr habt was Gut's in Euren Zügen,
Drum kann mich Euer Wort nicht trügen;
Doch seid Ihr bleich vom starken Ritte,
Und Eure Augen sehn verstört,
Ob Euer Innres heimlich litte,
Ihr scheint wahrhaftig krank; drum hört,
Bleibt diese Nacht in meinem Haus,
Und schlaft Euch von dem Ritte aus,
Was not auch Eurem Pferde tut,
Ihr habt's gejagt wohl müd und heiß,
Auf seinem Rücken steht der Schweiß,
Von seinen Weichen rinnt das Blut.
Herr, tretet in mein Zimmer ein,
Labt Euch an einem Becher Wein.
(Zu seinem Weibe)
Geh, Lise, hol aus unserm Keller
Vom Gumpoldskirchner, von dem alten,
Und deck die zinnern blanken Teller,
Worauf der Bischof Mahl gehalten,
Als von der Jagd er eingekehrt
Bei mir mit vielen Edelleuten,
Und mit dem Zuspruch mir geehrt
Mein niedres Haus auf ewige Zeiten.


Faust
Die Abendmahlzeit nehm ich an
Für mich und meinen guten Rappen;
Dann muß er wieder frisch die Bahn
Mit mir durch Nacht und Nebel tappen.


Schmieds Frau
Erwartet nur das Morgengrau;
Was eilt Ihr doch so gar geschwind?
Ihr trachtet wohl zu Eurer Frau?
Habt Ihr daheim ein krankes Kind?


Faust
Ihr ärgert mich doch fort und fort
Mit Eurem gutgemeinten Wort.
So hatt' ich einmal an der Rechten
'nen bösen Finger, und ein Tölpel kam,
Den seine plumpe Liebe übernahm,
In seine Arme mich zu flechten;
Er drückte mir in seiner Lieb'
Die Rechte mit so zärtlicher Gewalt,
Daß ich die Linke hatt' im Schmerz geballt
Und ihm die Nase blutig hieb.
Und wenn ihr nicht so überaus
Gutmütig lächelnd vor mir stündet,
So hätt' ich euch schon längst das Haus
Ob euren dummen Köpfen angezündet.


Meister
Verdammt! verflucht! was soll das heißen?
Das käm' Euch wohl zu stehen teuer!
Mein Herr, ich würd' Euch dort ins Feuer
Wie einen rost'gen Nagel schmeißen!


Faust
Stellt Euch zufrieden, kommt zum Essen;
Will meine Macht an Euch nicht messen.
Reicht mir die Hand, seid wieder froh.
Schmied, Ihr gefielt mir besser so,
Wie Ihr im hellen Zorne strahltet,
Als da Ihr mit dem Bischof prahltet.


Schmied
(ihm die Hand reichend)
Nehmt nichts für ungut, edler Gast,
Ihr habt ein wenig hart gespaßt.



Sie haben sich gesetzt ans Abendmahl.
Die Wirtin dient mit freudigem Gesicht,
Entschuldigend ein jegliches Gericht
Mit ihrer Kochkunst gar beschränkter Wahl;
Daß sie gefaßt auf solchen Gast nicht wäre,
Doch hoffe sie, der Gumpoldskirchner Wein,
Der wackre, werde noch der Retter sein
Von ihres Mannes gastfreundlicher Ehre.
Der Doktor läßt die Mahlzeit sich behagen;
Die brave Hausfrau hat in froher Hast
Ihm Speisen köstlich schmackhaft aufgetragen,
Und drängt zu essen herzlich ihren Gast.
>>Sie hat ein gut Gemüt, drum kocht sie gut,
Drum wird an ihrem Tisch mir froh zumut!<<
- Spricht Faust - >>wir wollen ihr ein Vivat! bringen.<<
Er schwingt den Becher mit dem goldig hellen
Bergwein: >>Stoßt an, mein Schmied, und ihr Gesellen,
Die Wirtin lebe!<<und die Gläser klingen.
>>Ich hab's erfahren oft auf meinen Reisen<<
- Bemerkt nun Faust mit schwatzhaftem Vergnügen -
>>Der Frauen Herz, voll rätselhaften Zügen,
Erprobt sich stets am Wohlschmack ihrer Speisen.
Wenn so ein gutes Weib kocht, brät und schürt,
Und in den Topf den Wunsch des Herzens rührt,
Daß es den Gästen schmecke und gedeihe,
Das gibt den Speisen erst die rechte Weihe!<<-
Darauf beginnt der Ritter zu erzählen
Von seinen Taten viel und Abenteuern,
Sie sehen ihn mit froh gespannten Seelen
Gen Riesen kämpfen und durch Meere steuern;
Prahlhaft gedenkt er manchen Schauderfalles
Aus seinen vielbewegten Lebensstunden,
Und manch ein Schwank wird Augenblicks erfunden;
Die guten Leutchen aber glauben alles.
Wie strahlt der Wirtin freundliches Gesicht!
Nur manchmal wird ihr blühend Antlitz blässer,
Wenn Faust im Eifer das geschwungne Messer
Ins feine Tischtuch ihr zuweilen sticht;
Faust spricht, die Dulderin anlächelnd spöttisch:
>>Oft schon ergetzte mich auf meiner Fahrt
Der guten Hausfraun wunderliche Art,
Daß sie am Tischzeug hangen fast abgöttisch,
Daß so ein Stich auf ihre weißen Linnen
Ins Herz sie trifft!<<- Er stoßt die Messerspitze
Tief durchs geblümte Tuch, und aus der Ritze
Sehn alle schreckenbleich Blutstropfen rinnen.
>>Seht, Frau, hier Euer häuslich Herzblut fließen;
Doch sollt Ihr mir nicht gar zuviel vergießen!<<
Faust wollte sie nicht dauerhaft erschrecken;
Er läßt sogleich des blut'gen Spukes Necken
Zusamt dem Ritz vom weißen Tuch verschwinden;
Es kann die Frau sich lang nicht wiederfinden.
Faust müht sich jetzt mit seinen besten Schwänken
Ihr aus dem Sinne listig fortzuschwätzen
Des blut'gen Fleckens schaurig Angedenken,
Und sie mit Schmeicheleien zu ergetzen.
Streng blickend nimmt sie's hin vom fremden Reiter;
Den Schmied bekümmert's nicht, der ist zu heiter,
Der hat Vertraun sich eingeflößt im Weine,
Daß Faust nur scherzend spricht in Schmeichelworten,
Und wenn er mit den Reden ja was meine,
Daß sie anprellen an verschloßne Pforten.
Auch hat er völlig sich zurückgetrunken
In jenen Tag, des Glorie ihn umzieht,
Schon wieder ist der dankbar gute Schmied
In seinen lieben Bischof ganz versunken.


Der Meister
Mein Herr, Ihr untersagtet mir's vergebens,
Hier wäre Schweigen Sünd', es muß heraus:
Es war die schönste Stunde meines Lebens,
Als einst Hochwürden traten in mein Haus.



Da lächelt Faust, er will nicht widersprechen,
Doch denkt er still und haltbar sich zu rächen,
Und er beginnt, wie spielend, die Buchstaben
Ins Zinn des Tellers unbemerkt zu graben:



Von diesem Teller ließ einmal,
Als mit Halloh! durch Berg und Tal
Die Jagd verklungen und verbraust,
Ein frommer Bischof sich's belieben;
Und heute tut's der Doktor Faust,
Der sich dem Teufel hat verschrieben.
(Es wird ans Fenster geklopft)


Faust
(hinaustretend)
Ich muß hinaus, es wird mein Diener sein,
Er wagt es nicht, zu treten frei herein.


Mephistopheles
(draußen zu Faust)
Mach schnell, mach schnell, versäume nicht dein Glück!
Das schöne Weib ging wieder in den Keller,
Solange du gekritzelt auf den Teller,
Nicht merkend ihren süßverstohlnen Blick.
Ich will indes den dummen Schmied
Und die besoffenen Gesellen
Mit einem lust'gen Schelmenlied
Um eine Viertelstunde prellen.
Mach schnell, mach schnell, dem jungen Weib
Glüht schon vor Lust der süße Leib!


Faust
Du lügst, dies Weib ist nimmer zu verführen,
Die blickt nicht aus, die hält an ihren Schwüren;
So gern ich auch die frische Frucht genösse,
Ich wag es nicht, sie gab mir keine Blöße.
Die Sünd' ist Spaß, doch kann's mein Stolz nicht tragen,
Von einem Weib zu werden abgeschlagen.


Mephistopheles
(indem er Faust gegen die Kellertüre zieht)
Gefährlich ist ein hübscher Kavalier,
Fein huldigend, den Frauen auf dem Lande,
Denn nicht begriffen wird in niedrem Stande
Und plump genossen ihre schönste Zier.
Die junge Wirtin tat nur, ob sie grollte,
Sie lugte auf den schönen fremden Ritter
Wohl öfter hin und länger als sie sollte;
Die Weiberzucht hat mürb' und morsche Gitter.
Mach schnell, mach schnell, versäume nicht dein Glück,
Sie gab dir einen süßverstohlnen Blick!



Der heiße Faust verwünscht die Weibertreue,
Er schwankt noch immer zwischen Lust und Scheue,
Als nun die brave Wirtin mit den Krügen
Vom Keller kommt, und schon von fern die vollen
Dem Gast zuschwingt mit schalkhaftem Vergnügen,
Nicht ahnend was die fremden Männer wollen.
Sie mahnt den Ritter freundlich unbefangen:
>>Eilt noch nicht fort, laßt Euch noch einmal füllen
Das Glas!
(Auf Mephistopheles deutend)
nonbreakspace nonbreakspace nonbreakspace nonbreakspace nonbreakspace nonbreakspace nonbreakspace nonbreakspace nonbreakspace Doch wer ist der um Gotteswillen?<<
Fragt sie erschrocken, mit verfärbten Wangen.
Faust gibt nicht Antwort, wie sich selbst entrückt,
Das Blut in seinen Adern stürmisch wallt,
Und seine ganze Flammenseele zückt
Auf ihre schöne, reizende Gestalt. -
Da klopft es an die Türe mit Gewimmer;
Scheu zögernd, mit zerrissenem Gewand,
Tritt eine blasse Bettlerin ins Zimmer,
Ein ausgehungert Kind an ihrer Hand.
Die Arme fleht in ihrer bittern Not
Fürs Kind und sich um einen Bissen Brot,
Man möchte doch in einem Winkel wo
Barmherzig ihnen streun ein Häuflein Stroh.
Da springt zu Faust sein Diener hin und schlägt
Ihn auf die Schulter derb: >>Freund, aufgewacht!<<
Und dreht ihn nach der Bettlerin und lacht,
Daß dröhnend sich das ganze Haus bewegt.


Mephistopheles
Kennst du dein Hannchen noch aus jener Schenke?
O wiederhole die verliebten Schwänke:
(Nachspottend)
>>Die mit den schwarzen Augen dort
Reißt mir die ganze Seele fort.
Ihr Aug' mit lockender Gewalt
Ein Abgrund tiefer Wonne strahlt!<<
Jetzt ist es hohl, und leer an Wonnen,
Ein ausgepumpter Tränenbronnen.
>>'s muß unermeßlich süße Lust sein,
An diese Lippen sich zu schließen,
Die schmachtend schwellen, dem Bewußtsein
Zwei wollustweiche Sterbekissen!<<
Die Lippen, welk, nach Brot nur schmachten,
Und betteln um ein übernachten.
Du sahst >>die Brüste ringend bangen
In selig flutendem Verlangen!<<
Und siehst sie jetzo niederhangen;
Die Arme hat an diesen Brüsten
Dein Kind, gezeugt in tollen Lüsten,
Und ihren Jammer auferzogen,
Die haben sie so ausgezogen.
Willst um den Leib, den hungerschlanken,
Du noch >>entzückt herum dich ranken?<<
(Immer spottender)
>>Ha, wie die langen schwarzen Locken
Voll Ungeduld den Zwang besiegen
Und um den Hals geschwungen fliegen,
Der Wollust rasche Sturmesglocken!<<
Jetzt hangen träg die ungekämmten Haare,
Als lägen sie schon lieber auf der Bahre.
Greif zu! greif zu! bist sonst kein Kostverächter!
(Und wieder schallt sein höhnisches Gelächter.)



Faust wird todblaß, es zittert seine Seele
Vom ungeheuren Wechsel dieser Stunde;
Der Reue Schmerz schnürt heftig ihm die Kehle,
Er bringt kein Wort aus stummbewegtem Munde.
Lang stand er so; doch, plötzlich nun gefaßt,
Reicht er der Bettlerin mit Krampfeshast
Die Börse Gold, abwendend sein Gesicht.
Sie heftig aus in lautes Weinen bricht,
Zeigt ihm sein Kind mit schrecklicher Gebärde,
Und wirft die Börse klirrend auf die Erde.
>>Du mußt mich führen heut noch zum Altar!<<
So ruft sie schmerzverwirrt und rauft das Haar.
Da stürzte Faust hinaus und auf sein Roß,
Das sturmgeschwind mit ihm von dannen braust,
Und hinterher mit ihrem Kinde schoß
Die Bettlerin, nachrufend: >>Faust! Faust!<<
Sie hat ihn bald in dunkler Nacht verloren;
Er aber kann, wie er auch stürmt und flieht,
Den bangen Ruf nicht schütteln aus den Ohren,
Und überall ihr Bild sein Auge sieht.
Es treibt ihn fort, trotz seiner Seelenbängnis,
Stets tiefer in die Sünde sein Verhängnis.





Der nächtliche Zug


Am Himmel schwere dunkle Wolken hangen
Und harrend schon zum Walde niederlauschen.
Tiefnacht; doch weht ein süßes Frühlingsbangen
Im Wald, ein warmes, seelenvolles Rauschen.
Die blütentrunknen Lüfte schwinden, schwellen,
Und hörbar rieseln alle Lebensquellen.
O Nachtigall, du teure, rufe, singe!
Dein Wonnelied ein jedes Blatt durchdringe!
Du willst des Frühlings flüchtige Gestalten
Auch nachts in Lieb' und Sehnsucht wach erhalten,
Daß sie, solang die holden Stunden säumen,
Vom Glücke nichts verschlafen und verträumen. -
Faust aber reitet fürder durch die Nacht,
Und hat im düstern Unmut nimmer acht
Der wunderbar bewegten Frühlingsstimmen.
Er läßt nunmehr sein Roß gelassen schlendern
Den Weg dahin an frischen Waldesrändern.
Leuchtkäfer nur, die hin und wieder glimmen,
Bedämmern ihm die Pfade manchesmal,
Und selten ein verlorner Sternenstrahl.
Je tiefer ihn die Bahn waldeinwärts führt,
Je stiller wird's, und ferner stets verhallen
Der Bäche Lauf, das Lied der Nachtigallen,
Der Wind stets leiser an den Zweigen rührt.
Was leuchtet dort so hell zum Wald herein,
Daß Busch und Himmel glühn in Purpurschein?
Was singt so mild in feierlichen Tönen,
Als wollt' es jedes Erdenleid versöhnen?
Das ferne, dunkle, sehnsuchtsvolle Lied
Weht süßerschütternd durch die stille Luft.
Wie einem Gläubigen, der an der Gruft
Von seinen Lieben weinend, betend kniet,
In seine hoffnungsmilden Schmerzensträume
Hinter den Gräbern flüstern die Gesänge
Der Seligen: so säuseln diese Klänge
Wohllautend durch die aufhorchsamen Bäume:
Faust hält sein Roß und lauscht gespannter Sinne,
Ob nicht der helle Schein und Klang zerrinne
Vor Blick und Ohr, ein träumerischer Trug?
Doch kommt's heran, ein feierlicher Zug.
Da scheucht es ihn, ins Dunkel hoher Eichen
Seitab des Wegs mit seinem Roß zu weichen,
Und abzuschreiten zwingt unwiderstehlich
Der Zug ihn jetzt, der näher wallt allmählich.
Mit Fackellichtern wandelt Paar an Paar,
In weißen Kleidern, eine Kinderschar,
Zur heilig nächtlichen Johannisfeier,
In zarten Händen Blumenkränze tragend;
Jungfrauen dann, im ernsten Nonnenschleier
Freudvoll dem süßen Erdenglück entsagend;
Mit Kreuzen dann, im dunkeln Ordensrocke,
Ziehn priesterliche Greise, streng gereiht,
Gesenkten Hauptes, und in Bart und Locke
Den weißen Morgenreif der Ewigkeit.
Sie schreiten singend fort die Waldesbahnen.
Horch! wie in hellen Kinderstimmen singt
Die Lebensahnung, und zusammenklingt
Mit greiser Stimmen tiefem Todesahnen!
Horch, Faust, wie ernster Tod und heitres Leben,
In Gott verloren, hier so schön verschweben!
Er starrt hervor aus dunklem Buschesgitter,
Die Frommen um ihr Glück beneidend bitter.
Als sie vorüber, und der letzte Ton
Des immer fernern, leisern Lieds entflohn,
Und als der fernen Fackeln letzter Schein
Den Wald noch einmal zauberhell verklärt,
Und nun dahin am Laube zitternd fährt,
Als Faust im Finstern wieder steht allein:
Da faßt er fest und wild sein treues Roß,
Und drückt das Antlitz tief in seine Mähnen
Und weint an seinem Halse heiße Tränen,
Wie er noch nie so bitter sie vergoß.





Der See


An Klostermauern, alten, einsam düstern,
Ist weit ein stiller See hinausgegossen;
Am Saume Bins' und Weide heimlich flüstern,
Und sanftgewiegte Wasserblumen sprossen.
Hell scheint der Mond, es spielen, leisen Bebens,
Die Strahlen lieblich auf dem tiefen See,
Wie über den Geheimnissen des Lebens,
Und seiner Tiefe ungeahntem Weh,
Die Kinderseelen lieblich zitternd spielen,
Die rein und klar vom Himmel niederfielen.
Am Ufer wandelt Faust und sein Gefährte,
Der heute unvermerkt den Abendgang
Zu diesem See, zu diesem Kloster kehrte.
Nun stehn sie still und beide schweigen lang.
Versenkt ist auch die Nacht in ernstes Schweigen,
Man hört es, wenn im Klostergarten sacht
Ein frühgewelktes Blatt entfällt den Zweigen,
Wenn auf dem See ein Lüftchen halb erwacht.
Seltsame Töne aus dem Schilfe dringen,
Und manchesmal das Schweigen unterbrechen;
Die Vögel dort von Wanderzügen sprechen
Im Traum und regen sehnsuchtsvoll die Schwingen.
Zum See hinstarrend, hat sich Faust verloren
In stummes Trauern, daß er ward geboren.


Mephistopheles
Blick auf die Mauern dort, sind Altbekannte;
Vor ihnen ist dein schmachtend Lied erklungen,
Woran die schöne Nonne heiß entbrannte,
Sie hast du damals feurig übersprungen.
Dort ragt der Baum, wo ihr so wonnig saßet
Und euch in süßer Trunkenheit vergaßet,
Der Baum, der eure Küsse überrauschte,
Wenn euch ein Ohr in jener Nacht belauschte.
Blick auf den Mond, es ist derselbe noch,
Er stand, wie jetzt, genau so voll, so hoch;
Nur daß er damals eurem Glutverlangen,
Und heute eurem Kummer aufgegangen.
Der Mond, der deinem Auge strahlt so helle,
Dringt auch der Nonne mahnend in die Zelle.


Faust
Wirst mir zuwider und verhaßt;
Du wirst mir immer mehr zur Last.


Mephistopheles
Verhaßt? das kümmert mich mitnichten,
Du kannst es ohne mich nicht richten;
Bin doch für dich von großem Reize,
Denn deine kranke Seele braucht,
Daß nicht ein Seufzer sie verhaucht,
Zur Stärkung meine scharfe Beize.



So sprach der böse Führer; plötzlich sprang
Er in den See hinab, der ihn verschlang;
Nach kurzer Weile taucht' er jetzt empor,
Und was er hat heraufgeholt vom Grund,
Streckt seine Hand den Blicken Faustens vor:
>>Das ist aus jenen Zeiten noch ein Fund!<<
Da schimmern schreckhaft hell im Mondenscheine
Von einem Kind die nassen Totenbeine.





Maria


Wie Silberglocken am Marienfeste
Versenden ihren reinen, hellen Klang,
Durch Stadt und Flur und stillen Waldeshang
Weithin geführt vom sanftbewegten Weste:
So drang der Ruf zur Ferne hell und rein,
Und seinem Wohlklang jedes Herz entbrannte,
Wenn er Marie, die Königstochter, nannte,
Der Tugend und der Schönheit Morgenschein.
Vergebens war manch Dichterherz entglüht,
Zu schildern durch begeisterte Gesänge
Der jungfräulichen Reize hold Gedränge,
Das um den schönen Leib Marias blüht;
Vergebens preist sein bettelhaft Geklimper,
Wie tief dies Auge mit der Schattenwimper
In süße Einsamkeit das Herz entreißt
Und alle Welt umher vergessen heißt;
Wie diese Rosenlippen sich erschließen,
In jedem Wort ein holdes Lied vergießen:
So läßt der Lenz aus frischen Rosenröten
Der Nachtigallen Zauberlieder flöten;
Wie diese sanftgehauchte Jugendglut,
Ein Traum von Rosen, auf den Wangen ruht,
Vom Morgenrot ein fernes Widerscheinen,
Das einst gestrahlt den Paradieseshainen.
Sie ist so schön, die schönste der Jungfrauen,
Daß man sie nicht kann ohne Schmerz betrachten,
Denn zitternd spricht das Herz mit bangem Grauen:
Nach dir muß selbst der Tod, der kalte, schmachten!
O schwelge noch in ihrem Anblick, Welt,
Solange dieser flücht'ge Zauber hält!
Berauschet euch in ihrem Odem, Lüfte!
Verhaucht, beglückte Blumen, eure Düfte!
O eilet schneller aus den Himmelsfernen
Herüber, goldne Strahlen von den Sternen,
Und strömet eure Küsse auf sie nieder,
So holde Jungfrau findet ihr nicht wieder.





Der Maler


Einsam die hohe Königsvilla stand,
Und ragt' ins Meer vom steilen Felsenstrand.
Zypressenhaine und Orangenwälder,
Die schattend sich an ihr landeinwärts dehnen,
Erwecken oft dem Seemann heimlich Sehnen,
Schifft er dahin die wüsten Wogenfelder. -
Es ruht auf Land und Meer ein schwüler Tag,
Es reget sich kein Blatt, kein Wellenschlag;
Doch abends kommt ein schwarz Gewölk gezogen,
Der Sturm erwacht und wühlet in den Wogen.
Am offnen Fenster lehnt im Sommerhaus
Maria, blickend in das Meer hinaus.
Sie sieht der Sonne letzte Gluten schwinden,
Sie überläßt ihr blondes Haar den Winden,
Die freudig mit der Lockenbeute schwanken,
Und ihre Seele sinnigen Gedanken.
Und Faust, in stummer Wonnetrunkenheit,
Die holde Königstochter konterfeit.
Er ist ein Meister in der Kunst der Farben,
Sein Ruhm und sein Bemühn die Gunst erwarben,
Dem Könige Marias Bild zu malen,
Eh' sie verglühn der Schönheit Morgenstrahlen.
Er ist zur höchsten Stelle hier gedrungen,
Die je ein kühner Maler noch erschwungen:
Marien gegenüber, stundenlang!
Die wunderbaren Züge zu erfassen,
Und seine Seele frei zu überlassen
In tiefer Schönheit ihrem Untergang! -
Ein schönes Bild! die Reize ohne Namen
Umschließt des Fensters luft'ger Bogenrahmen;
Das wilde Meer, die Wetterwolken tragen
Die Lichtgestalt als dunkler Hintergrund. -
Faust wollt' ein lustig Abenteuer wagen,
Und schaute hier das Herz sich todeswund.
Er hat manch Weib genossen und verlacht;
Hier aber soll er schmerzlich innewerden:
Der wahren Frauenschönheit holder Macht
Kann widerstehen keine Macht auf Erden. -
Ein schönes Bild! wie sanft und lieblich ruht
Mariens Antlitz auf der dunklen Flut;
Ha! wie, berauscht, die aufruhrsvollen Wellen
Um ihren weißen, warmen Busen schwellen,
Und höher stets an ihrem Nacken steigen,
Sie mitzureißen in den wilden Reigen!
Ihr goldnes Haar auf schwarzen Wolken wallt,
Die Blitze flammen aus den Wetternächten
Und flattern um die göttliche Gestalt,
Ein Strahlendiadem um sie zu flechten. -
Je mehr nun Faust des Bildes Farbentrug
Zu wunderbarem Leben sieht erwarmen,
Je heftiger ergreift sein Herz der Zug,
Entzückt das süße Urbild zu umarmen.
Doch, wie auch flammt des Wunsches Leidenschaft,
Die Ehrfurcht hält ihn fest in scheuer Haft.
O Frauenschönheit! Vieles ist zu preisen
An dir, in ewig unerschöpften Weisen;
Das ist dein Schönstes: daß in deiner Nähe
Auch wilde Sünderherzen weicher schlagen,
Daß ein Gefühl sie faßt mit dunklem Wehe
Aus ihrer Unschuld längst verlornen Tagen.
Mag auch des Sünders Herz zur Lust entflammen,
Wenn er in deine Zauberfülle blickt,
Doch sieht er auch dein Ewiges und schrickt
An dir, du Himmelsabgrund! scheu zusammen.





Die Warnung

Herzog Hubert reitet durch einen Wald zur Villa Mephistopheles
(ihm entgegenreitend)
Ihr reitet recht behaglich sacht;
Nichts kann befeuern Euren Trott,
Nicht Hahnreischaft, nicht Wetternacht,
Nicht nasse Haut und Bubenspott!


Herzog
Wer bist du, frecher, grauser Wicht,
Mit diesem Teufelsangesicht?


Mephistopheles
Ich bin was meine Miene spricht.
Nur recht mir ins Gesicht geschaut,
Wenn auch dem Herrn ein wenig graut,
Ihr seht so feinen Kopf nicht mehr.
Betrachtet diese Stirnenfalte,
Da diese finstre, tiefe, kalte,
Von einem Aug' zum andern quer.
Einst kam ein Mathematikus,
Ein scharfer Ritter Minusplus,
Der schlaue Bursch fixierte mich
Und nannte diesen Faltenstrich
Das Minuszeichen alles Guten,
Vom Kreuze Plus das Gegenteil,
Wobei er dacht' ans Christenheil.
Doch, edler Herr, Ihr müßt Euch sputen;
Derweil Ihr mein Gesicht studiert,
Studiert ein andrer ganz vertraut
Die Züge Eurer schönen Braut.
Macht fort, eh' sie den Kranz verliert!
(Er sprengt davon)


Der Herzog
Du lügst, du lügst, es kann nicht sein!
Maria ist getreu und rein.
Doch sterben soll auf frischer Tat,
Wer meiner Braut sich frech genaht!





Der Mord

Die königliche Villa Prinzessin Maria, ihre Zofe, Faust, später Herzog Hubert Faust
Das Bild ist fertig, und, ich glaube,
Mir ist gelungen zur Genüge,
Zu fesseln Eure holden Züge
In meiner Blicke stillem Raube.
(Das Bild betrachtend)
Wie dieses sanfte, schöne Bild
Auf wildem Meeresgrunde ruht,
So ruht es ewig, klar und mild,
Auf meines Herzens wilder Flut.


Prinzessin
Es mag dem Künstler widerfahren,
Hat er ein Bild mit Fleiß vollbracht,
Daß ein Erinnern oft nach Jahren
An dessen Züge ihm erwacht.


Zofe
Das, gnädige Gebieterin,
Bleibt Eurem Maler als Gewinn,
Der Eure Schönheit Zug für Zug
So wahr lebendig übertrug,
Daß sich das Bild ihm ungebeten
Im Angedenken wird verspäten.


Faust
Hell flammt in diesem Augenblick
Mir auf mein ganzes Mißgeschick.
Was ich bis jetzo nicht gekannt,
Hat mich allmächtig übermannt.
O lächelt, holde Königstochter,
Herab voll Mitleid auf mein Weh,
Der ich vor Euch, ein Unterjochter,
In meiner bittern Armut steh;
Wenn Ihr mein glühend Herz verstoßt,
Bleibt mir auch nicht der karge Trost,
Daß ich mit einem stolzen Leide
Von Eurem lieben Antlitz scheide,
Daß ich auf meinem Trauerwege
Euch doch ein Opfer noch geweiht,
Entsagend, meine Seligkeit
Auf Eure Schwelle niederlege.
Hab keine zu verlieren mehr,
Das drückt das Herz mir doppelt schwer.
Doch, blick ich wieder Euch ins Angesicht,
So hat die Hölle, der ich zugeschworen,
Mit einmal ihre Macht an mir verloren,
Mir strahlt ein wunderbares Hoffnungslicht.
O nein! ich kann, ich will Euch nicht entsagen,
Ich will's noch einmal mit dem Himmel wagen!


Prinzessin
Verlasset mich, unheimlich bang
Wird mir vor Eurem ungestümen Drang,
Kann Eure dunklen Worte nicht verstehen;
Doch ruht auf Eurer Stirne tiefes Trauern,
Das mich bewegt zu innigem Bedauern,
Lebt wohl! ich will Euch nimmer wieder sehen.


Faust
(auf die Knie fallend)
Ach, nur ein leises Wort, ein Hauch, ein Blick,
- Und wär' es nur ein mitleidsvoller Trug, -
Daß du mich liebst, es ist genug, genug,
Auf immer zu verwandeln mein Geschick.
Mag dann der Hölle tiefes Qualenmeer
Mit seinen Wogen rauschen um mich her,
Ich werde nicht darin zugrunde gehn,
Mir wird aus deinem holden Liebeszeichen
Ein ewig grünes Eiland auferstehn,
Verzweifelnd muß die Hölle rückwärts weichen;
Vergebens werden dann Erinnerungen
Aus meinen wüsten, schuldgetrübten Tagen
Ans heilige Ufer meiner Liebe schlagen,
Ich bin gerettet, hab ich dich errungen!


Herzog Hubert
(hereinstürzend)
Erstick in deinem frechen übermut!
Verdirb, verdirb, schamloses Sklavenblut!
Nach einer Königstochter, Fürstenbraut
Hast du den Blick zu heben dich getraut?
Streckst du, ein unerhört verwegner Buhle,
Die Arme auf aus deinem Pöbelpfuhle?
(Zur Prinzessin)
Laß ich ihn auch zu deinen Füßen sterben,
Du bist beschimpfet durch sein schnöd Bewerben.
Der Seufzer, den nach dir gesandt sein Lieben,
Ist gift'ger Hauch vom Sumpf emporgetrieben;
Sein Blick, der frech nach deinen Reizen schmachtet,
Ein Irrwisch faul, der zu den Sternen trachtet.
Es ist dein Bild besudelt und entehrt,
Das er in seinem tollen Hirne nährt,
Das ihm vielleicht im Traum Erhörung lacht,
Mit ihm sich wälzt auf seinem Bett bei Nacht!
Könnt' ich in ihm erwürgen, süße Braut,
Dein Bild, eh' ihn mein Schwert in Stücke haut!
Doch nein! mein Fürstenschwert sei nicht verdammt
An diesem Knecht zu niederm Schergenamt. -



Faust steht dem Prinzen gegenüber, schweigt,
Sein Blut aufkochend zu Gesichte steigt,
Empöret von der Lästrung Sturmeshauch;
Aus seinen schwarzen Stirnenlocken droht
Die hochgeschwellte Zornesader Tod,
Wie eine Schlange droht aus dunklem Strauch.
Er schüttelt wild und stolz sein zürnend Haupt,
Er knirscht die Zähne und sein Odem schnaubt,
Die Augen glühn im heißen Rachedürsten
Erstarrte Blitze auf den stolzen Fürsten:
Er zückt sein Schwert zum ungeheuren Streiche,
Und - nimmer lästert ihn des Fürsten Leiche.
Maria starr und bleich zu Boden liegt,
Vor Schreck sind Puls und Odem ihr versiegt.
Die Zofe ist entflohn; - des Prinzen Glut
Hat sich nun abgelöscht in seinem Blut. -
Wie ist es nun so still mit einem Mal,
Wo erst der Zorn gebraust, im weiten Saal!
Faust steht und starrt die Leiche finster an,
Und draußen steigt des Sturmes laute Wut,
Es rauscht der Wald, es knarrt der Wetterhahn,
Und an die Klippen stürzt die Meeresflut;
Vorbei am Fenster schießen mit Geschrille
Die Möwen, und die Donner schlagen ein:
Doch mag, o Faust, das Schrecklichste dir sein
Der Tote da, mit seiner tiefen Stille.


Mephistopheles
(plötzlich hinter Faust stehend)
Mir ist, dich hört' ich einst im Walde sagen:
>>Ich habe diese Liebe nie gekannt,
Fürs Erdenweib war nie mein Herz entbrannt<<;
Hier aber hast du einen drum erschlagen.
Du bist doch deshalb treulos nicht geworden
Der >>Liebe für die Wahrheit, die dein Schmerz<<?
Und wärst du's auch, und hätt' ein bißchen Morden
Schon für die Wahrheit abgekühlt dein Herz;
Sie gibt darum dich nimmer doch verloren;
Dein Sehnen hat sie nicht umsonst beschworen;
Und wolltest du nun aus dem Weg ihr eilen,
Sie stellt dir nach, darauf sei nun gefaßt.
Verschmähte alte Liebschaft wird zuweilen
Zudringlich, lieber Freund, und sehr zur Last.
Die Wahrheit steht an dieser Leich' und schaut
Ins Antlitz dir: sei Mann und nicht erbebe,
Kühn ihren blutbesprengten Schleier hebe,
Und ihre leise Lippe dir vertraut,
Daß, wer ein Bündnis mit der Hölle schlingt,
Den Menschen Fluch mit seiner Liebe bringt.


Faust
Marien hab ich leider! Fluch gebracht.
O wenn sie doch ins Leben nur erwacht!


Mephistopheles
Das findet sich; doch möcht' ich eben
Nicht Zeuge sein, wenn sie erwacht ins Leben.
Hier ist's langweilig, Freund, komm fort,
Eh' da im Blut dein heller Mut verrostet.
Was dir an Freuden hegte dieser Ort,
Das hast du, mein ich, ziemlich ausgekostet.


Faust
Komm fort, komm fort, Maria muß mich hassen;
Doch kann ich nicht zurück ihr Bildnis lassen.
(Die Diener des Hauses pochen an die von Mephistopheles verschlossene Tür)


Mephistopheles
Das Bildnis kriegst du nimmermehr, fürwahr!
Ich reiße lieber ein Marienbild,
Zehnfach geweiht, und wundergnadenmild,
Dir eigenhändig wo vom Hochaltar,
Eh' ich gedulden mag die Raserei,
Daß du dich schleppst mit diesem Konterfei.


Faust
Steh ich vor dir, dein Werk, ein Mörder auch,
Und neigt sich's tief mit mir bereits; doch spricht
Noch meines guten Geistes Sterbehauch:
Bewahre dir dies Himmelsangesicht!



Und Faust ergreift das Bild mit heißer Hast,
Der Teufel hat's am andern End' gefaßt;
Sie ringen mit dem Bilde hin und her,
Laut zankend, bis der Teufel es erzwingt
Und es mit wildem Hohngelächter schwingt
Hinaus zum Fenster und hinab ins Meer. -
Die Diener an die Tür stets lauter pochen,
Und stürmend kommen sie hereingebrochen.
Entsetzenstarr die Königswach' erschaut
Den Fürsten hingestreckt und seine Braut.
Sie dringen auf die Fremden, sie zu fassen:
Die trotzen, unerschütterlich gelassen,
Den vorgedrohten Hellebardenspitzen;
Der Böse läßt nur einen Augenblick
Die Höll' in seine dunklen Züge blitzen,
Und die Trabanten stürzen bleich zurück.
Nun schauen sie, verblüfft und überwunden,
Den Fremden nach, die schnell waldein geschwunden.





Der Abendgang


Tiefschweigend ruhn die Alpenwiesenhänge,
Die Blume schließt den Tau in ihren Schoß,
Und freut sich still an ihrem Frühlingslos;
Die Vögel sinnen schweigend auf Gesänge.
Fern unten tönt im Tal ein leiser Bronnen,
Als träumte dem Gebirg' von einem Quell;
Es glüht im Abendscheine purpurhell
Der Wald, verloren in sprachlose Wonnen.
Wie freudesinnend steht die Lämmerherde,
Vergessend nun das frische Alpenkraut;
Still hält der lichte Wolkenzug und schaut
Herunter nach der schönen Frühlingserde.
Nur manchesmal die blühenden Gestalten
Der Bäume selig rauschend sich verneigen,
Ein Windhauch, überschwellend, bricht das Schweigen,
Wie Wonneseufzer nimmer festzuhalten. -
Doch unerfreut von Gottes Lenzgeschenken,
Irrt Faust umher durch Felsen, Wies' und Hain,
Von der Natur geächtet, und allein
Mit seines Mordes bittrem Angedenken.
Natur, die Freundin, ist ihm fremd geworden,
Hat sich ihm abgewendet und verschlossen;
Er ist von jeder Blüte kalt verstoßen,
Denn jede Blüte spricht: du sollst nicht morden.
Der frische Wald, die grünen Lämmerweiden,
Der Friede, der auf allen Bergen ruht,
Und drüber hell der Wolken Freudenglut:
Das alles muß ins kranke Herz ihm schneiden.
Doch wecket ihm der Seele bangste Qual
Der ferne Bach tief unten in dem Tal.
Die Wasserstimme, leise klagend, scheint
Ihm seine Unschuld, die von ferne weint.
Doch ist der Mann zu stolz, um solche Wehen
Dem eignen Herzen gerne zu gestehen.
Er läßt die düstern Blicke zürnend rollen,
Und er beginnt mit der Natur zu grollen:
>>Wie blöde Kinder ihrem Vater lauschen,
Wenn Märchen bunt von seinen Lippen rauschen,
So horchet ihr, Fels, Wolke, Blum' und Baum,
Dem Märchen froh in eurem Kindestraum,
Das euch ein Gott erzählt von seiner Liebe,
Indes der Tod euch trifft mit scharfem Hiebe.
Was laß ich, Tor, an meinem Herzen nagen
Den Vorwurf noch, daß jenen ich erschlagen?
Ist nicht der Mord das alte Weltgebot?
Und gibt es ohne Mörder einen Tod?
Mag mir das Herz des Feindes Stahl durchstechen,
Mag mir den Leib Naturgewalt zerbrechen,
Mag diesen Leib an spätem Lebenstag
Selbstmörderische Trägheit überkommen,
Daß er zu seinem eignen Nutz und Frommen,
Sich selber treulos, sich nicht rühren mag: -
Wie auch das Leben aus dem Herzen floh,
All eins, ich bin gemordet so, und so.
Doch faßt es wieder mich mit herber Pein,
Als könne morden nur der Mensch allein.<<


Mephistopheles
(zwischen den Bäumen hervortretend)
Ja, ja, es mordet, das ist wahr,
Der Mensch allein, und jeder zwar;
Denn, schau dich um, wo findst du einen
So frommen und unmäßig reinen,
Der niemand haßt auf weiter Erden?
Er haßt, und gibt er auch dem Feind
Nicht zu verstehen, wie er's meint,
Frei, mit totschlagenden Gebärden;
Im Herzen doch der Wunsch ihm keimt:
Oh, wäre der hinweggeräumt!
Im Herzen aber, glaube mir,
Dort hat der Mord sein Standquartier;
Und wagt er sich hervor einmal
Aus dem geheimen Schattental
Verbotner süßer Lustgedanken,
Die flüsternd euer Herz umranken,
Hat er den Mut hinauszureisen
Vom Busen in die Faust, ins Eisen:
So hat ihn nur ans Licht beschworen
Der Grimm; er ward nicht erst geboren.
Freund, was dir so zu Kopfe geht,
Und was dich brennt mit scharfer Pein,
War von dir einzig und allein
Ein Fehler der Genußdiät!
Du solltest brauchen das Gewissen,
Damit zu würzen das Genießen;
Hast zuviel Würze nur genommen,
Nun bist du dämisch und beklommen.


Faust
Wohl gerne glaubt' ich deinem Wort,
Doch rauscht die Luft und weht es fort;
Es sprechen diese Bäume drein,
Die Häupter schüttelnd: nein, o nein!
Ganz andre Worte bringt der Wind
Vom Bache dort heraufgetragen,
Ich hör es leise, ferne klagen,
Und möchte weinen wie ein Kind.
Wär' ich ein Lamm aus jener Schar!
Die Wolke dort, so licht und klar!
Wär' ich ein Baum, ein Halm, ein Stein!
Doch wie sie alle rein! doch rein!
O Wolke dort im Untergang!
Ich segne dir dein Wandelspiel,
Von dem ein Trost ins Herz mir fiel,
So hoffnungsfroh, so sehnsuchtsbang.
Du, Wolke, zeigest meinem Blick
Vielleicht prophetisch mein Geschick.
Erst hast du hell und klar geblüht,
Vom Sonnenstrahle überglüht -
Dann wardst du schwarz, es ließ der Schein
Versunkner Sonne dich allein; -
Und nun zerfließet und vergeht
Dein Bild, vom Abendhauch verweht!
Mir ist ein Trost die Hoffnung nur,
Daß einst, im kühlen Abendhauch,
Vergehn wird meine Seele auch,
Ein finstres Traumbild der Natur.
Da unten winkt die dunkle Tiefe,
Wo ich vielleicht gesichert schliefe,
Und unerreicht von meinem Dränger,
Der mich verfolget immer bänger.
Der Seele Frieden ist dahin,
Ich kann der Reue nicht entfliehn;
Verschließ ich mich in meine Kammer,
Fühl ich am Herzen ihre Klammer;
Flücht ich heraus zu diesen Eichen,
Seh ich sie lauernd nach mir schleichen.
Der Bäume kalte Strafgesichter
Umtrotzen mich wie meine Richter.
Der Frühling ist der Flur erschienen,
Um seine vollen Lebensfreuden
An Berg' und Tale zu vergeuden,
Doch mir mit fremd verstörten Mienen.
Ich bin allein vom Lenz verstoßen;
Indem er täglich neue Sprossen
Vom Winterschlafe zieht empor,
Zählt er dem Mörder langsam vor,
Und bitter quälend, Stück für Stück,
Das schöne, süße Erdenglück,
Das dem Erschlagnen ich geraubt,
Und jede Blüte trifft mein Haupt.
Ich fluche dir, der fort mich riß
In seine grause Finsternis
Aus meiner Unschuld Heiligtum!


Mephistopheles
Ein lustiges Delirium!
Dem Teufel fluchen, das verdreht
In Gottes Ohr sich zum Gebet?
Ich aber mein, es ist zu spät.
Da seh ich einen Narren leiden,
Weil Blumen ihm Gesichter schneiden;
Und weil im Tal die Wasser lärmen,
Beginnt der weiche Mann zu schwärmen.
Das aber ist die feigste Richtung,
Daß du dich sehnest nach Vernichtung.
Die Wolke soll dir's schmeichelnd malen,
Daß du die Zech' nicht darfst bezahlen?
Warum denn immer auswärts gaffen,
Statt sich im Innern aufzuraffen?
Was kann dich kümmern die Natur
Und ihre Frühlingskreatur?
Ist solcher Tor wohl auch ein Mann,
Den eine Blume kränken kann?
(Ironisch)
Du kennst die Art der Domestiken,
Die dir dienstbare Grüße nicken
Und huldigen zum überfluß,
Solang du stehst auf Freundesfuß
Mit ihrem Herrn; beleidige den,
So ist's um ihren Gruß geschehn;
Sie müssen dem Gebieter dienen,
Und treten stolz dir nun entgegen.
Drum sei dir an den bösen Mienen
Des Lenzgesindels nichts gelegen.
(Treuherzig)
Doch das ist Scherz; ob die Natur
Dir freundlich scheint und wohlgewogen,
Ob feindlich grollend, beides nur
Hast du in sie hineingelogen.
(Er zieht einen Krug hervor)
Tu mir Bescheid aus diesem Krug,
Ich füllt' ihn eben zu Tokaj
Mit Lust und süßer Raserei;
Dein Geist bedarf wohl neuen Flug.


Faust
(trinkt)
Der Wein ist gut; - er macht das Mark
Mir in den Knochen frisch und stark.


Mephistopheles
Es lief der Mensch in grauen Tagen,
Wie uns berichten manche Sagen,
Zu Mahom, Christ und Zoroaster,
Zu holen sich ein Wunderpflaster
Für seine alte Erdennot,
Den Zweifel und den bittern Tod.
Mehr als Prophet und Messiade
Half ihm des milden Zufalls Gnade,
Der seine Angst gelehrt zu pressen
Aus Trauben sich ein süß Vergessen.


Faust
Vortrefflich schmeckt der edle Wein!
Komm, schenke mir noch weiter ein!
Er hat den Sinn mir aufgehellt,
Mich wieder auf mich selbst gestellt.


Mephistopheles
Es gab der Wein schon manchen frei
Aus alten Wahnes Gängelei.
Oft wenn die Gläser lustig schollen,
Mußt' Christus sich von dannen trollen;
Drum ist ein Wein im wälschen Land
Lacrima Christi zubenannt.
Freund! neuen Flug bedarf dein Mut,
Nimm hin und trink, das ist mein Blut!
(Scherzend)
Komm, Faustule, wir wollen singen
Und uns an deinen Feinden rächen;
Wir wollen diese Berge zwingen,
Daß sie das fromme Schweigen brechen,
In unser Lied als Chorus fallen
Und unsre Weisen widerhallen.
(Er jauchzt in die Berge)
Ruf du nur einmal zum Versuch
Hinüber einen wackern Fluch.


Faust
(ruft, den Krug schwingend, in die Berge)
Dem Teufel hab ich mich ergeben,
Den Teufel lieb ich, er soll leben!


Mephistopheles
(scherzend)
Hörst du sie dort herüberschreien,
Echo, die alte Felsenhure?
Sie läßt sich gleich von Gott und Teufel freien,
Dient jedem gleich mit einem Liebesschwure.
Und was du ihr auch magst entgegenjohlen,
Sie wird es, einverstanden, wiederholen.
(Bitter)
Doch das sind wieder eitel Possen
Und Gleichnisse, die schmählich lahmen;
Natur lebt nur für sich, verschlossen,
Und sie hat nichts mit dir zu kramen;
Und wenn sie dir ein Echo schallen läßt,
Wirft sie dein Wort zurück dir mit Protest.


Faust
Und doch erregte mir so manches Mal
Der grüne Plunder Herzensqual.
Nun aber fühl ich Kraft in mir gedeihen,
Die mich von solchem Zudrang will befreien.
Es ballt sich fest in mir und fester immer,
Und schon bereu ich meine Taten nimmer.





Der Abschied

Kirchhof. Mondnacht Faust
(am Grabe seiner Mutter)
Eh' das ersehnte Meer
Mich grenzenlos umtrauert,
Der Wolken trübes Heer
Auf mich herunterschauert,
Und Stürme mich umwehen,
Will ich zum letztenmal
Das heimatliche Tal,
Dein Grab, o Mutter! sehen.



Oh, daß der Tod von hier
So früh dich fortgenommen!
Es wäre wohl mit mir
Sonst nicht so weit gekommen. -
Von deinem treuen Lieben
Ist keine Spur geblieben,
Es schwand in tiefe Nacht.
Groß ist des Todes Macht,
Daß er die Mutter kann
Von ihrem Kinde reißen.
Wie fabelhaft zerrann
Das fröhliche Verheißen
Vom ewigen Wiedersehn,
Als ich dich sah vergehn!
Als sie den Sarg verschlugen
Und dich begraben trugen,
Da hatt'st du ausgelitten;
Mir ward im Herzen eben,
Ob sie mein junges Leben
Von seiner Wurzel schnitten! -



Als mich dein weicher Arm
Einst liebevoll umfing,
Als froh und segnend warm
An mir dein Auge hing,
Da freuten dich wohl Träume
Der Hoffnung für dein Kind?
Wie einst durch diese Bäume
Hinzog der Frühlingswind?
Nun steht im Mondenstrahl
Der Strauch so dürr und kahl,
Der einst so grün, getroffen
Vom kalten Herbsteswind;
So welkte all dein Hoffen,
O Mutter, für dein Kind. -
Derweil du hier zu Staube
Im stillen Grund gemodert,
Ist in mir, seinem Raube,
Das Böse auf gelodert! -
Die Nächte ohne Schlummer,
Die Tage voller Kummer,
Die ungezählten Zähren,
Und deine frommen Lehren,
O Mutter, deine Schmerzen,
Womit du mich geboren,
Womit du unterm Herzen
Mich trugst - sie sind verloren! -
Doch will's mein Sinn nicht leiden,
Daß ich im letzten Scheiden
Mit einer frommen Zähre
Dir danke und dich ehre,
Und daß ich dir die Reue
Als Grabesrose streue.
Welch wunderlicher Klang
Traf plötzlich mir das Ohr?
War's nicht wie Klaggesang,
Was sich im Strauch verlor?
Zog nur das Trauerstöhnen
Vorbei der Herbstesluft?
Begann das Kreuz zu tönen
So bang auf deiner Gruft?


Mephistopheles
(von ferne)
Komm! laß im Mondenschein
Uns wandeln durch den Hain,
Statt weichlich hier zu klagen,
Wo nur das dürre Laub
Heimrauscht zum andern Staub,
Und taube Würmer nagen.
(Sie entfernen sich)





Das Waldgespräch

Mephistopheles
Hörst du im Wald des Herbstes Räuberpfiff,
Mein Freund, und hörst du rauschen seinen Griff?
O schade, daß der Lenz nicht hundertmal
Mehr grünes Laub getrieben hat im Tal,
Auf daß der Herbst mit hundertfacher Beute
Hinsausend jetzo mir das Herz erfreute!
Denn weh zumal tut Menschen das Verlieren
Und nach der Sommerlust ihr erstes Frieren.


Faust
Nein! es ist elend, daß des Frühlings Leiter
Zu Blüt' und Lust hinauf nicht reichet weiter,
Daß alles ist so knapp gezählt auf Erden!
Bankbrüchig muß Natur in allen Jahren
Der Forderung der armen Menschen werden,
Und zur Erholung lange Winter sparen.


Mephistopheles
Das seh ich gern, wenn Herbst mit Sturmgeblase
Das Laub den Menschen wegführt vor der Nase;
Und lieber noch, wenn schon der Sommer barsch
Der grünen Hoffnung auf der Flur
In Hagelwettern trommelt einen Marsch,
Daß sie sich trollt bis auf die letzte Spur.
Mir ist's ein Anblick immer zum Entzücken,
Wenn die Natur dem Menschen kehrt den Rücken,
Dem undankbaren, feigen und stupiden,
Der sie verkannt, verraten und gemieden.
O hätt' ich einen Juden jetzt zur Stelle!


Faust
Wozu der Jude, mürrischer Geselle?


Mephistopheles
Den Juden möcht' ich drillen scharf und plagen
Für seines Volks Vergehn in alten Tagen.
Die Juden haben euch die Welt verpfuscht;
Der Segensgeist der Indier und Hellenen
Ist ungenutzt an euch vorbeigehuscht;
Nun muß die Zeit ob eurer Dummheit gähnen.
Die Juden taten's, die Messiasnarren
Verfuhren euch so tief und fest den Karren.
Messias heißt der Keil, den sie getrieben
Hinein, wo Mensch sich und Natur berührten;
Getrennt ist sie nun hier, er dort geblieben,
Seit auf dem Felde sangen blöde Hirten.
In jener Nacht, der schlimmsten aller Nächte,
Ward das ersehnte Kindlein hergetan;
Die Juden, zitternd, ahnten ihren Wahn,
Doch sprach ihr Schreck, es sei nur nicht der Rechte.
Schreck blieb im Antlitz den Naturverrätern,
Und unaustilgbar blieb er auch den spätern;
Mit scharfem Griffel grub in jener Stund',
Durchschneidend alle Zukunft, die Natur
Den Nachgeschlechtern ein des Fluches Spur:
>>Die Juden brachen mir den heiligen Bund!<<-
Zu sühnen jenen alten Fluch, ersteht
Dereinst ein großer Jude; doch zu spät!
Ein weiser Schreiber nie vergeßner Schriften,
Wird an den Todespfahl er Jesum schlagen
Mit seines Geistes diamantnen Stiften,
Den Namen von der Dornenkrone tragen.
Doch sind erstorben euch urkräftige Triebe,
Verwelkt die wunderbaren Herzensblüten,
Die starken Lieder, zaubervollen Mythen,
Die götterzeugende gewaltige Liebe.
Verraten ward Natur, und ihr Vertrauen
Habt ihr verscherzt und eingebüßt für immer;
Ihr mögt ihr forschend in das Antlitz schauen,
Ihr scheues Herz erschließt sich euch doch nimmer;
Denn wer nicht sie zum Höchsten sich erkoren,
Wer jenseits Götter sucht, hat sie verloren.


Faust
Was kann ein Weiser noch dem Menschen frommen?
Ist der Messiasglaube ihm genommen,
Und das Naturorakel ihm verklungen,
Wer führt ihn durch die Erdendämmerungen?
Wohin wird sich das Menschenvolk noch wenden?
Wie wird auf Erden noch sein Schicksal enden?


Mephistopheles
Mein Faust, ich will dir einen Tempel bauen,
Wo dein Gedanke ist als Gott zu schauen.
Du sollst in eine Felsenhalle treten
Und dort zu deinem eignen Wesen beten.
Dort wirst du's einsam finden, still und kühl:
Tief unten hörst du fern das Weltgewühl,
Wie von den ätherklaren Alpenzinnen
Ein Wandrer unten hört die Bäche rinnen.
Du kannst das Los des Mannes dort genießen,
Wie er die Weltgeschichte wird beschließen.
Doch sieh dich vor, daß du nicht wirst zum Spotte!
Erinnre dich in Wälschland jener Grotte;
Dort lagert tief am Boden böse Luft,
Entstiegen gärungsvoller Erdenkluft;
Doch in den obern Schichten ist's gesund,
Und atmen kann dort nur, wer mit dem Mund
Ein Hochgewachsner aus der Tiefe taucht;
Doch wer, kurzbeinig, einen Herrn noch braucht,
Der Hund, das Kind in jener Grott' ersticken.
So ist der Tempel, drein ich dich will schicken.


Faust
Das leuchtet ein! es gilt, daß ich die Seele
Aus Christus und Natur heraus mir schäle.
Ob ich mit ihm, mit ihr zusammenhange,
Umkreist mich unentrinnbar eine Schlange.
Ist Christus Gott, und folg ich seinem Schritt,
So bin ich, sei es auch auf Himmelspfaden,
Der Schuh nur, den sein Fuß erfüllt und tritt,
Ein niederes Gefäß nur seiner Gnaden.
Ist's die Natur - bin ich ein Durchgang nur,
Den sie genommen fürs Gesamtgeschlecht,
Bin ohne Eigenzweck, Bestand und Recht,
Und bald bin ich verschwunden ohne Spur.


Mephistopheles
In beiden Fällen ist dein Los fatal:
Du magst von ihm, von ihr behandelt sein,
Ob en canaille, oder en canal;
Drum schließe trotzend in dich selbst dich ein!


Faust
Behaupten will ich fest mein starres Ich,
Mir selbst genug und unerschütterlich,
Niemandem hörig mehr und untertan,
Verfolg ich in mich einwärts meine Bahn.


Mephistopheles
Ich aber diene dir als Grubenlicht.


Faust
Bin ich unsterblich oder bin ich's nicht?
Bin ich's, so will ich einst aus meinem Ringe
Erobernd in die Welt die Arme breiten,
Und für mein Reich mit allen Mächten streiten,
Bis ich die Götterkron' aufs Haupt mir schwinge!
Und sterb ich ganz - wohlan! so will ich's fassen
Nicht so, als hätte mich die Kraft verlassen,
Nein! selbst verzehr ich mich in meinem Strahl,
Verbrenne selbst mich wie Sardanapal,
Samt meiner Seele unermeßnen Schätzen,
Mich freuend, daß sie nimmer zu ersetzen!





Die Reise

Einsamer Meeresstrand. Abend Faust und Mephistopheles Faust
In jener Nacht, an jener stillen Leiche
Sprachst du das kecke Wort, das folgenreiche:
>>Den Menschen gab der ewige Despot
Für ihr Geschick ein rätselhaft Gebot;
Nur dem Verbrecher, der es überschritten,
Wird's klar und lesbar in das Herz geschnitten.<<
Wie wahr! wie falsch! der Mensch wird ewig irren;
Doch wenn Erkenntnisdurst ihn glühend plagt,
Muß er vom reichen Strome unverzagt
Einschöpfen mit den sämtlichen Geschirren,
Er muß ihn mit der Liebe und der Treue,
Und mit der Herzensfurche tiefer Reue,
Mit Kampf und Hoffnung, unversöhntem Hassen,
Und mit den Sinnen der Verzweiflung fassen.
Wie wenig, ach wie wenig dem Verlangen
Kann er auch so vom großen Strom empfangen!


Mephistopheles
Das ist wohl wahr, doch frag ich vor der Hand,
Warum du mich beschiedst an diesen Strand?


Faust
Ich will nun fort, hinaus ins Meer,
Das ist so einsam, wild und leer,
Das blüht nicht auf, das welkt nicht ab,
Ein ungeschmücktes, ewiges Grab.
Dort zwischen Wogen, zwischen Winden
Soll mir der letzte Kummer schwinden.


Mephistopheles
Wenn dich's nach einer Fahrt gelüstet,
Schon hab ich dir ein Schiff gerüstet,
Mein wackrer Herr, wie keines je
Gesehen ward auf aller See.


Faust
Wo steht's? ist auch dein Teufelswrack,
Wie es verlanget mein Geschmack?


Mephistopheles
Du siehst es in der Dämmrung kommen
Dort stattlich still herangeschwommen;
Und bis es mag zum Strande treiben,
Will ich's ein wenig dir beschreiben.
Setz dich indes auf diese Scheiter,
Sei wieder auch ein wenig heiter.
Dies Rückwärtsdenken, Vorwärtsgrübeln
Muß ich als Freund dir sehr verübeln.


Faust
Wenn nicht das böse Grübeln wäre,
So stünd' ich jetzo nicht mit dir am Meere.
Doch mache mir des Schiffs Beschreibung
Mit der gewohnten übertreibung.


Mephistopheles
Das Schiff geht stets nach unserm Willen,
Im wind'gen Meere, und im stillen;
Es ist vollkommen windgerecht,
Denn jeder Wind ist unser Knecht,
Ein jeder muß uns vorwärts schieben.
Das aber ist nicht übertrieben.


Faust
Und wenn die wilden Stürme rasen?


Mephistopheles
Und wenn sie ringsum wütend bellen,
So spielen sie in unsern Wellen,
Wie durchs Getreide junge Hasen.


Faust
Wie steht's um Sandbank, Freund, und Klippen?


Mephistopheles
Die machen uns kein Tröpflein Meeres nippen.
Die Bänke ducken sich, die Felsenriffe,
Nachgiebig, biegen sich vor unserm Schiffe,
Wie weiche Butter vor der Messerklinge.


Faust
Was rühmst du weiter an dem Dinge?


Mephistopheles
Das Schönste sind die Zimmer der Kajüte,
Mit zaubrischen Tapeten ausgehangen,
Die sich gestalten, wie du's magst verlangen:
Zur Frühlingslandschaft frisch, mit Laub und Blüte.
Dann schweigt das Meer, du hörst allein die Weste
Melodisch säuseln durch die grünen äste,
Du bist umwürzt von süßem Waldesduft,
Du hörst die Nachtigall, die ferne ruft. -
Mit noch so leiser Sehnsucht nach dem Herbst
Du plötzlich anders die Tapete färbst:
Du siehst am Felde schöne Schnitterinnen
Im Abendrote stehn - und Liebe sinnen;
Du hörst die Wachtel schlagen im Getreide,
Du siehst den Jäger still den Wald beschleichen,
Zugvögel wandernd durch die Lüfte streichen,
Die Herden kehren von der Alpenweide. -
Fällt dir mit seinem Reiz der Winter ein,
Wird's gleich auf der Tapete Winter sein:
Die sturmverwehten Blätter rauschend fallen,
Dicht stöbert Schnee, nun starren alle Bäche,
Die erst geplätschert, auf gefrorner Fläche
Ziehn lustige Schlitten hin mit Peitschenknallen.


Faust
Sei mir vom Land und seinem Wechsel still.
Vergeßner Schalk! hab ich dir nicht gesagt,
Daß ich die Erde nun verlassen will,
Weil mir ihr Wechselspiel nicht mehr behagt?


Mephistopheles
Verzeih! mir fiel's nicht ein sogleich,
Mir spielte mein Gedächtnis einen Streich.


Faust
Sonst brauch ich dein Gedächtnis nicht zu wecken,
Wenn's gilt, mit alten Dingen mich zu necken.


Mephistopheles
Verkenne meinen guten Willen nicht.
Dich zu erinnern, heischt oft meine Pflicht.
Mich zwingt mein Pakt, die Wahrheit dir zu nennen;
Nur aus Vergangnem kannst du sie erkennen.
Ich liebe sonst ein schlecht Gedächtnis;
Von lüderlichen Vätern ein Vermächtnis,
Seh ich's zumal an lust'gen Herrn
Zuweilen für mein Leben gern.
Verwittert wo ein alter Turm,
Von Regenguß zernagt und Sturm,
Und fallen aus den Fugen lose Stücke,
Dann kommen räuberische Geier
Und nisten in der Mauerlücke,
Und brüten drinnen ihre Eier.
Also zernagt der laute Lebenssturm,
Also zernagt der stille Todeswurm
Euch der Erinnrung alterndes Gebäude;
Und fällt dann aus der aufgelösten Fuge
Ein Stück Gedanke, Vorsatz, Schmerzen, Freude:
So fliegt manchmal herbei mit Blitzesfluge
Der Hölle Raubgevögel, Leidenschaften,
Die in der Lücke nisten, brüten, haften. -
Da hast du was von deiner lieben Braut!
Was ich dir von der Wahrheit hier vertraut,
Ist nur von ihrem Kleid ein dunkles Band;
Doch Ritter ehren jedes Liebespfand.


Faust
Ich nehm's, noch bin ich meinem Bunde treu;
Denk ich auch manchmal mit geheimer Scheu
Der Wahrheit und mit sehnsuchtsvollem Zagen,
Für die nur freudig einst mein Herz geschlagen. -
Du gabst von ihrem Kleid ein dunkles Band,
Wird sie im Trauerflore mir erscheinen?
Kommt sie, wohlan, ich biet ihr meine Hand,
Und soll sie ewig mir am Halse weinen.


Mephistopheles
Genug davon. Besprechen wir die Reise.
Ich war für dich bedacht auf jede Weise.
Vor schlimmer Langeweile dich zu sichern,
Hab ich das Schiff bepackt mit guten Büchern.
Damit nicht etwa dein Verstand,
Siehst du nur Meer und nirgends Land,
Zum alten Bibelwesen mache Kehrum,
Hab ich Lucretium de natura rerum
Dir aufgeschlagen; 's ist mein Lieblingsbuch,
Es hält so manchen kräftig kühnen Spruch,
Besonders von den Göttern und der Liebe;
Ich meine, daß ich's selbst nicht besser schriebe.
Auf dem Verdecke woll'n wir dann spazieren,
Und ich will dir den Kauz interpretieren.
Dann ist gesorgt für allerliebste Flaschen.
Mein feiner Koch setzt Gaumen dir und Nase
Mit seinen Meisterstücken in Ekstase.
Auch geb ich noch was andres dir zu naschen,
So schön und witzig, und so schmachtend feurig,
Und in den Liebsgeschäften doch erst heurig:
Sechs Mädel sind's, hast neuen Spaß mit jeder.
Bist du zufrieden so mit deinem Reeder?


Faust
Ich bin's mitnichten; und ich nehme
Dein Fahrzeug nicht, das ekelhaft bequeme.
Solang ich mich noch fühle Sohn der Erde,
Ist heimisch mir die irdische Beschwerde.


Mephistopheles
Ich wollte nur mit solchen Zauberschwänken
Behüten dich vor allzuvielem Denken.
Du kennst das Meer noch nicht; das ernste Ding
Schon manchem Wandrer sehr zu Herzen ging.


Faust
Ich will's in seiner Furchtbarkeit erschauen.
Schaff mir ein Schiff, nicht zauberhaft gemächlich,
Schaff mir's, wie es die armen Menschen bauen,
Unsicher, schwank und sturmzerbrechlich.
O Sturm, o Sturm, wie sehn ich mich nach dir!


Mephistopheles
Der Sturm ist weniger bedenklich mir.
Wenn's heult und brüllt, wenn alles wankt und kracht,
Ein kriegrisch Wesen bald in dir erwacht,
Das dem Tumult und allen Todesschlägen
Mannstrotzig und frohlockend zieht entgegen.
Bedenklich aber ist das stille Meer,
Dagegen hält dein Trotz und Stolz sich schwer.
Wenn Welle ruht und jedes Luftgeflüster,
Wenn Meer und Himmel schweigend sich umschlingen
Und fromm, fast wie zwei betende Geschwister,
Das könnte, sorg ich, meinen Faust bezwingen,
Da fürcht ich Schwärmerei an meinem Faust,
Hat auch der Sturm vergebens ihn gezaust.....



Indessen ist die Nacht hereingebrochen,
Die Wogen brausend an die Klippen pochen,
Von Winden wird die Felsenbucht durchpfiffen,
Die Wetterwolken laut und lauter kommen,
Das Zauberboot ist an den Strand geschwommen
Es schaukelt sich und tändelt mit den Riffen,
Und drinnen süße Stimmen musizieren,
Die, kaum gehört, im Sturme sich verlieren.


Mephistopheles
Ich frage dich: ist dir das Schiff nicht recht?
Zum letztenmal: verschmähst du es im Ernst?


Faust
Ich frage dich, rebellisch kecker Knecht!
Zum letztenmal: ob du gehorchen lernst?....



Der Böse zürnt, aus seinem Auge fährt
Ein Blitz aufs Boot, der's zündet und verzehrt.
Hoch flammt es auf und sprüht und zischt umher,
Und flattert hin. Der Nacht tiefschwarzer Schleier
Fängt nun im Schiffesbrande plötzlich Feuer
Und leuchtet weithin übers wilde Meer. -



Der Morgen graut, es weht ein frischer Wind
Seewärts und treibt hinaus ein Schiff geschwind.
Die Wimpel flattern, jedes Segel schwoll,
Der Sehnsucht nach der dunklen Ferne voll.
Am Schiff vorüber flieht der Wellenschaum;
Und wie die Sonn' empor im Osten zieht,
Das Land zurückverschwindet und entflieht,
Wie, wenn der Tag erscheint, ein dunkler Traum.
Faust wandelt fort im dumpfen Wellenbraus
Und starrt zur Meereseinsamkeit hinaus.





Der Traum


Matrosen singen hell ihr Abendlied,
Das kaum noch von der Sängerlippe schied,
Schon ohne Widerhall im Meere schwindet,
Wo Menschenstimme keinen Anklang findet;
Im Meer, das fremd und stolz, in kalter Größe,
Nicht rückhallt selbst des Himmels Donnerstöße.
Sanft kräuselnd regt die milde Luft das Meer,
Und drängt den Segler sachte vor sich her,
Wie ihren Liebling die verschämte Maid,
Der kühn um einen Kuß der Liebe freit,
Mit weicher Hand von ihrem Busen drängt,
Und doch in seinen Armen sich verfängt.
Die Sonne neigt hinunter sich im Westen,
Noch zittert auf der Flut ihr Schimmerpfad;
Ein Weilchen harrt, gleich diesen Strahlenresten,
Die lichte Spur von einer edlen Tat.
Auf weitem Meer ist es ein freudig Grauen,
Den Untergang der Sonne anzuschauen;
Im Augenblicke, wo die fremde See
Die Lebensfreundin Sonne ihm verschlang,
Durchzuckt des Wandrers Herz ein dunkles Weh,
Er sieht die Fluten dämmern heimlich bang,
Beschleichen mag auf irren Meeresstraßen
Den Wandrer ein Gefühl, daß er verlassen;
Zum Himmel hebt er dann die Blicke gerne
Und sucht den Gruß der heimatlichen Sterne,
Die nie dem Menschenherzen näher kommen,
Als wo der Gruß der Erde ihm genommen,
Die nie die Seele himmlischer beflügeln,
Als auf des Meers bewegten Grabeshügeln.
Wird solch Gefühl, o Faust, dein Herz beschleichen?
Erinnerung die Seele dir erweichen? -
Ihm naht des Schiffes Kapitän und spricht,
Hindeutend auf der Sonne letztes Licht:
>>Der Sonnenuntergang regt mich zu denken
Wohl jedesmal an eine bittre Stund',
Als ich die tote Mutter mußte senken
Vom Bord hinunter in den Meeresgrund.
Es war ein Augenblick trüb, kummervoll,
Wie wenige so schmerzlich ihn erfahren,
Solang ich noch hienieden lebe, soll
Das Herz mir seinen Kummer treu bewahren.
Da lag sie auf dem Brette ausgestreckt,
Die mich geboren, segeltuchbedeckt,
Zu Füßen ihr gefügt ein Sack mit Sand,
Und harrend lehnt das Brett am Schiffesrand,
Ein kurz Gebetlein - der Matrose schnellt
Vom Brett die Tote lächelnd ab - sie fällt,
Und lange, lange sah ich sie noch sinken
Und mir mit ihrem weißen Tuche winken.
Von dannen zog das Schiff, mir war so schwer,
Daß ich allein die Mutter mußte lassen,
Wenn auch schon tot, im weiten, fremden Meer,
Wo sie die kalten Ungeheuer fassen.
Und wenn ins Meer versinkt der Sonne Schein,
So fällt mir immer meine Mutter ein.<<-
Faust aber spricht: >>Ihr seid mir wunderlich;
Wie konntet Ihr auf rauhem Meere fahren,
Und doch so weiche Sitten Euch bewahren?
Ganz anders stimmte diese Reise mich.
Was einst mich freute von den Erdengaben,
Was mich, weil ich's verloren, einst gekränkt,
Der Erde ganze Lust hab ich versenkt
Ins tiefe Meer, und ihren Schmerz begraben.
Mir war das Meer des Schmerzes hohe Schule,
Hier mag er würdig aufzuflammen lernen
Nur nach dem Ew'gen, leider ewig fernen,
Und daß er nicht nach dem Erschaffnen buhle.
Ein mächtig Wort: 'Verachtung des Erschaffnen!'
Ich hab's erfaßt, daß es von Schuld mich heile,
Denn fernher schnellt Erinnrung ihre Pfeile,
Und nur der Stolz kann gegen Reue waffnen.<<-
Indessen schwand der Sonne letzter Schimmer,
Und leer und schlaff die Segel niederhangen,
Der Wind ist mit der Sonne schlafen gangen,
Die Wellen werden leiser, dunkler immer. -
Auf seinem Lager, schlummerharrend, liegt
Der Wandrer Faust, das Auge zu, das Ohr
Dicht an des Schiffes Bretterwand geschmiegt,
Schlaflieder murmelt ihm der Wellenchor.
Faust hört vergnügt im sanften Meerestosen
So nah den Tod an seinem Haupte kosen.
Bald ist's ein Rieseln, ein Geflüster bald,
Dann wieder ein geheimnisvolles Klingen,
Als wenn die Winde über Wies' und Wald
Den Rest verstreuter Glockentöne bringen;
Nun braust es dumpf, wie Wasserfälle rauschen
Wie vom Gebirge hirtliche Schalmeien,
Nun wieder hört ein träumerisches Lauschen,
Von fernem Spielplatz lust'ge Kinder schreien.
Faust höret wirrer stets des Meeres Wallen,
Der übermacht des Schlafes heimgefallen. -
Je trotziger ein Mann, auf sich gestellt,
In stolzer Einsamkeit sich seine Welt,
Je tiefer muß er fühlen in der Nacht,
Wenn allgemach die Sinne ihm versiegen,
Wie süß es ist, des Schlafes weicher Macht,
Dem Mutterkusse der Natur erliegen.
Bald hat die Seele Fausts ein Traum berührt,
Der sie an leichter Schöpferhand entführt.
Der Träumer steht auf einem Inselstrand,
Von Meer umflutet rings, das nirgends endet,
Ein Blütenwald vom unbewohnten Land
Die Frühlingsdüfte in die See verschwendet.
Bezaubernd klingt die tiefe Einsamkeit
Im Vogelsang, von Störung nie bedroht,
Der Liebe Lust, der Sehnsucht süßes Leid,
Im Osten strahlt ein helles Morgenrot.
Die Wellen glühn und singen Wonnelieder,
Melodisch lockt zu sich die Tiefe nieder.
Der Träumer lauscht und meint sie zu verstehen,
Und jeden Gruß, den Frühlingslüfte wehen;
Und lange lauscht er, wunderbar beklommen,
Der Luft, des Meers so heimatlichen Sprachen:
Nun sieht er plötzlich, ostenher geschwommen,
Dem Untergang zugleiten einen Nachen;
Vorüber treibt am Eiland ihn der Wind,
Da wandert eine Frau mit ihrem Kind.
Ein schönes Kind, mit goldnem Lockenhaar,
Die Augen wie der Morgenhimmel klar,
Des Mundes Lächeln seliges Genügen,
Die Ruh' der Unschuld in den holden Zügen.
Wie sie an Faust vorüberfahren dicht,
Blickt ihm die Frau gar traurig ins Gesicht.
>>O Mutter!<<ruft er aus, - mit stillem Weinen
Legt sie die Hand hindeutend auf den Kleinen:
>>So warst du einst!<<Das war ihr stummes Klagen,
Und schon hat sie die Flut dahingetragen.
Faust starrt ihr nach und seinem Kindesbild,
Und wie sie fort und immer ferner schwimmen,
Verstummen in dem Wald die Frühlingsstimmen,
Der Wind, die Wasser rauschen fremd und wild.
Und Abend ist's, mit wildem Satze sprang
Die Sonne plötzlich in den Untergang,
Am Himmel rollt einher ein schwarz Gewitter,
Der Sturm zerreißt den Blütenwald in Splitter,
Und Blitze fahren, laute Donner krachen,
Und auf den Wogen kommt ein andrer Nachen.
Da wandert eine starre, schreckensbleiche
Jungfrau mit einer starren, blassen Leiche.
Wie sie an Faust vorüberfahren dicht,
Da blickt sie ihm gar traurig ins Gesicht:
>>Den schlugst du tot!<<Das war ihr stummes Klagen
Und schon hat sie der Sturm dahingetragen.
>>Maria!<<ruft er aus - und ist erwacht,
Und eilt aufs Deck, und jagend irrt umher
Sein Blick, noch trunken von des Traumes Macht,
Und sucht das Boot im sturmbewegten Meer.
Hier aber ist kein Sturm, hier ist kein Nachen,
Das Meer ist still, nur Mond und Sterne wachen.
Als die Gestirne ihm ins Antlitz leuchten,
Erwacht er ganz, es flieht des Traumes Deuchten.
Das Meer ist still, nicht eine Welle ruft,
Und lauschend stehngeblieben ist die Luft;
So still die Nacht, man hört des Herzens Klopfen,
Und schier den Tau vom Himmel niedertropfen,
Und schier den Mondstrahl auf das Wasser fallen,
Und schier das Trauerlied der Zeit verhallen. -
Wie Faust hineinsinnt in das tiefe Schweigen,
Da kommt Mephisto, spricht: >>Es ist doch eigen,
Darein kann mein Geschmack sich gar nicht schicken,
Abscheulich ist die Stille, zum Ersticken.
Ich will vom Schlafe die Matrosen holen,
Daß sie noch einmal ihre Lieder johlen.
Nach deinem Traum bist du viel ernster, blasser;
Ich höre lieber die Matrosen singen
Ihr gellend Lied, als auf das stille Wasser
Die Tränen deiner Rührung niederklingen!<<
>>Still, störe nicht mit deinem scharfen Schrei
Die Nacht; die Zeit der Tränen ist vorbei.
In Wolken sind die Sterne dort verkrochen,
Wie Kinder sich verkriechen in die Decken,
Wenn sie an ihrem eignen Traum erschrecken.
Der ist ein Kind, den Träume unterjochen.
Mein traumgehetztes Blut mag schneller jagen,
Mein Herz aufschrecken, trauern und verzagen;
Doch wenn auch bei phantastischen Gewittern
Mir Nerv und Ader, Erdenkinder, zittern,
Erwach ich, bin ich Herr in meinem Haus
Und werfe den Gespensterspuk hinaus.
Doch ist's ein übel, daß ich Träume habe,
Wann Schlaf gefesselt meine Willensmacht,
Die lüstern, wie Hyänen, in der Nacht
Die Toten mir aufwühlen aus dem Grabe.
Dann hilft es nichts, daß ich den Wahn vernichtet,
Und hoch den Turm Verachtung aufgerichtet,
Von dem ich wachend auf das Märchengrauen
Von Schuld und Reu' mag fest herunterschauen;
Die Träume, ungelehr'ge Bestien, schleichen
Noch immer nach des Wahns verscharrten Leichen!<<
So hadert Faust zur Flucht ein weich Gefühl,
Den Rest des Traumes, während feucht und kühl
Nachtnebel übers dunkle Meer hinschweifen
Und seine trotzigheiße Stirne streifen.





Der Sturm

Faust und Mephistopheles spazieren auf dem Verdecke Faust
Wir wandeln auf dem Schifflein hin und her,
Das Schifflein jagt dahin im weiten Meer,
Das Meer ist mit den Winden auf der Flucht,
Die Erde samt dem Schifflein, Meer und Winden,
Schießt durch den weiten Himmelsraum und sucht
In ew'ger Leidenschaft, und kann's nicht finden.
Mir ist das Meer vertrauter als das Land;
Hier rauscht es unbestreitbar in die Seele,
Was dort ich leise, dunkel nur empfand,
Daß die Natur auch ew'ge Sehnsucht quäle
Nach einem Glücke, das sie nie gewinnt;
Und was da lebt im regen Labyrinth
Kann sich in Ruhe nirgendwo verschanzen,
Stets in den Sturm der Sehnsucht fortgerissen;
Und flücht ich nach den Grabesfinsternissen,
Muß meine Asche um die Sonne tanzen.


Mephistopheles
Nur scheinbar lacht die Ruhe selbst den Rindern,
Die auf der Weide gehn in Maientagen,
Und Blumen morden, fressen mit Behagen,
Herodes jeder Ochs den Frühlingskindern;
Indessen kocht in seiner kleinsten Ader
Das Leben mit dem Tod den heißen Hader.
Die Weide mahnt mich an den Rossehirten;
Wir trafen ihn, als wir auf Abenteuer
Zu Pferde das Magyarenland durchirrten,
Im Wald, bei Nacht, an seinem Wachefeuer.
Die schwarzen Hengste grasten in der Runde,
Seltsam bestrahlt, der wilde Mähnenhang
Im Nachtwind flog, und deinem Lauschen sang
Der Hirt ein traurig Lied aus fremdem Munde;
Dann schwieg er still und starrte in die Glut,
Und türmte drüber manche Blättersäule,
Und starrte wieder mit verschloßnem Mut;
Da kam aus Schattendickicht eine Eule,
Und schwirrt' unheimlich krächzend um sein Ohr,
Und der geneckte Hirte sprang empor,
Griff in die Flamme mit gewalt'ger Hand
Und raffte einen ungeheuren Brand
Und schwang ihn um sein Haupt in wilder Hast,
Die Eule scheuchend fort, den schlimmen Gast.
Wie jener Hirt in Waldeseinsamkeit
Ums Haupt im Kreise schwang das Flammenscheit,
So schwingt der ew'ge Hirt mit starker Hand
Im Kreis ums feste Haupt den Weltenbrand,
Zu scheuchen fort aus seiner Nacht die Eule,
Die sonst ihm krächzend naht: die Langeweile.


Faust
Und wenn der Sterne große Wanderscharen
Nur Funken wären, jenem Brand entfahren,
Den um sein Haupt der starke Hirte schlägt,
Wo sind die Rosse, die der Hirte hegt?


Mephistopheles
Die werden auch noch wo zu finden sein.
Du treibst mir die Metapher in die Enge,
Sie aber wäre nicht mein Töchterlein,
Wenn sie sich nicht aus deiner Frage schlänge.
Die Rosse, die dem Hirten weiden gehen,
Und die allein dem alten Hirten teuer,
Um derentwillen brennt das Weltenfeuer,
Die Rosse nennt der Philosoph Ideen;
Mir aber ist's ein inniges Ergetzen,
Heranzuschleichen mich mit feinem Tritt,
Und plötzlich mich auf so ein Roß zu setzen
Und durch die Welt zu machen einen Ritt,
Bis mich das Roß abwirft, und scheu zurück
Zu seinem Hirten flieht und Weideglück;
Denn was Natur gebiert, die reiche Mutter,
Verzehrt die Herd' als frisches Weidefutter.
Du, Röslein, bist für dieses Los zu gut,
Drum steck ich lieber dich an meinen Hut.
Sieh dort am Himmel kommen andre Rosse,
Dort kommt die schwarze Donnerwolkenherde;
Kennst du den Flug, die wilde Kraftgebärde?
Hallo! schon kracht das Schiff vom ersten Stoße!


Faust
Wie wenn die Rosse durch die Heide fliegen,
Hinsausend an den schlanken Graseshalmen,
Und sie mit ihrem Sturmgeschnaube biegen,
Und sie mit ihrem starken Huf zermalmen:
Durchfliegen diese Himmelsrosse rasend
Die grüne Meeresheide als Verwüster
Und wiehern Sturm aus aufgerißner Nüster,
Der Masten schlanke Halme niederblasend.


Mephistopheles
Hallo! es krachen, brechen unsre Masten:
Siehst du den Kapitän, den schreckerblaßten?
Das ist der Käfer, der am Halm gebaumelt,
Und mit dem abgeknickten niedertaumelt.


Faust
Hört, bleicher Kapitän! erhebt Euch doch!
Das ist kein Mann, wes Blut im Sturmgehudel
Geduckt zurückschleicht, ein gepeitschter Pudel,
Zur Herzenskammer, seinem Hundeloch.
Zeigst du nicht augenblicklich Mannesmut,
So werf ich dich beim Teufel! in die Flut!
Schämst du dich, Memme! vor dem Sturme nicht?
Ich dulde nicht die Schmach im Angesicht,
Den Menschen da in seiner Bettlerblöße
Genüber der Natur in ihrer Größe.


Kapitän
Seit zwanzig Jahren fahr ich dieses Meer,
So schrecklich denk ich keinen Sturm, wie der.
Wie jeder Nagel, jede Fuge kracht!
Weh uns! Wie alles wankt und bricht und reißt!
Wie uns der Abgrund jetzt zu Himmel schmeißt!
Der nächste Augenblick ein Ende macht!
Ich zittre nicht für mich, und ich erblasse
Nur, weil ich Weib und Kind nicht gern verlasse;
Sie sollen beten einst an meinem Grab.


Faust
Verfluchter Mahner! feiger Wicht! hinab!
(Wirft ihn ins Meer)


Ein Priester
(auf den Knien)
Erbarme dich, du großer Gott!
Barmherziger, hilf in unsrer Not!
Herr! deines Sohnes Christi Blut
Helf in der Not uns Armen,
Besänftige mit Erbarmen,
Ein heilig öl, die Sturmesflut!


Matrosen
(auf den Knien)
Erbarme dich, du großer Gott!
Barmherziger, hilf in unsrer Not!


Faust
(ruft in die Wolken)
Mach was du willst mit deiner Sturmesnacht!
Du Weltenherr, ich trotze deiner Macht!
Hier klebt mein Leib am Rand des Unterganges,
Doch weckt der Sturm in meinem Geist die Urkraft,
Die ewig ist, wie du, und gleichen Ranges,
Und ich verfluche meine Kreaturschaft!


Mephistopheles
Bravissimo! zuschanden geht der Nachen;
Den kleinen Bissen hat der Ozean
Lang hin- und hergespielt in seinem Rachen,
Nun beißt er drein mit seinem Klippenzahn.
(Wehgeschrei der Mannschaft)
Nun schluckt er ihn! Faust! spring auf diese Zacken,
Hier kann die tolle Flut dich nimmer packen.


Faust
Schon steh ich fest; doch sterben die Matrosen,
Wohl gerne lebten noch die Rettungslosen.


Mephistopheles
Sie haben meist das Eiland schon betreten,
Die Kerle schwimmen kräft'ger, als sie beten;
Doch ist der bleiche Kapitän ersoffen,
Vergebens war auf trocknes Grab sein Hoffen.
Auch dort der Pfaff' ein nasses Ende nimmt,
Der mag doch kräft'ger beten, als er schwimmt.
Wie wirbelt ihn die Flut! im Untersinken
Läßt er noch einmal sein Tonsürchen blinken;
Dasselbe ist's, das einst bei jenen Bauern
Zum Vorschein kam.
(Lachend)
Wo wird sein Liebchen trauern?





Görg

Schenke am Meeresstrand Faust, Mephistopheles, Görg, Michel, Kurt, Hans und andere Matrosen, Dirnen, Spielleute u.a. Kurt
Das Schiff ist hin, doch nur mit Maus,
Der Mann schwamm glücklich noch hinaus.


Michel
Fragt keiner mehr nach unserm Kapitäne?


Hans
Was ließ er sich auch handumkehr
Bordüber schmeißen in das Meer?
Mit seiner harten Zucht und weichen Träne!


Görg
Wie so der Tod, der Jägerschuft,
Mit seinem Hund, dem Sturm gebirscht,
Wie's Wolkenbüchslein blitzt' und pufft',
Der Hund so wild herumgeschnufft,
Wart ihr doch alle recht zerknirscht?


Kurt
Das war denn auch ein schlechter Spaß,
Ich war bis in die Seele naß,
Ich war so naß und durchgeweicht,
Daß ich mich sehnte nach der Beicht'.


Görg
Da lagt ihr mit geduckten Stirnen,
Gelobtet Messen, reine Sitten;
Nun in den Armen dieser Dirnen
Scheint ihr's dem Teufel abzubitten.


Michel
Schlich dir nicht auch, trotz deinem Trotz,
Du harter, kalter Felsenklotz,
So ein Gebetlein in den Bart?


Görg
Dafür bin ich zu kalt, zu hart.
Ich bete nichts, ich bitte nichts,
Will's nimmer halten, ei, so bricht's!


Hans
Sag, Görg, hast du auch nicht geflucht?


Görg
Ich bete nie, drum fluch ich nie,
Sing stets nach einer Melodie,
Im offnen Sturm, in stiller Bucht.


Hans
Mehr ist der Fluch der Seele wert,
Als für die Faust ein scharfes Schwert.


Görg
Der Lebensgang ist Schlachtengang,
Drum juble nicht und sei nicht bang.
Zieht der geschloßne Reitertroß
Just über dich mit Tritt und Stoß,
Zerschmettert er dir auch ein Bein,
So sollst du nicht der Bube sein,
Der auf dem Schlachtfeld keifend huckt,
Den Rossen nach den Hufen spuckt.


Kurt
(eine Dirne im Arm)
Umschlinge mich mit deinen warmen
Und wonnereichen Liebesarmen!
Viel Leben hat die lange Fahrt
Für diese Stunde aufgespart.
Das Waldesgrün, der Vogelsang,
Und all der süße Frühlingsdrang
Blieb mir verloren und versäumt,
Wo nur die kalte Woge schäumt
Und Sterbelieder singt der Wind.
Die Erd' und ihre ganze Lust
Drück ich in dir an meine Brust,
Umarme mich, du süßes Kind!


Michel
(zu Görg)
Was hältst du, Mann des weisen Spruchs,
Von dieser Dirne vollem Wuchs?


Görg
Ein Dirnlein frisch, ein Becher Sekt,
Nicht minder wohl als euch mir schmeckt.
Den leichten Schwarm der Sorgenmücken
Ersäuft der Wein, das Freudenmädel
Dient eben mir als Mückenwedel,
Doch nicht zu lärmendem Entzücken.


Michel
Wirt! noch zwölf Flaschen Fliegengift,
Nur daß er mir das stärkste trifft.
Wirt, schenk' er auch den Fiedlern ein!
Ihr lasset eure Geigen klingen,
Frisch aufgespielt, damit wir fein
Im Takt die Fliegenwedel schwingen!


Görg
Komm her, du mein nußbraunes Schätzel,
Reich mir zum Tanz dein weiches Tätzel;
Ein artig Kind! Wie heißt du doch?


Dirne
Suschen, mein lieber Schiffsgesell;
Dreh mich nur nicht herum so schnell.


Görg
Wir werden schon bekannter noch.


Mephistopheles
(flüsternd, zu einer Dirne)
Gedenkst du noch des Pfaffen, der vor Jahren
Als Buhle dein mit dir herumgefahren?
Soeben sank der arme Schalk ins Meer.


Dirne
Mein alter Schatz ertrank? - bedaure sehr!
(Sie tanzt weiter)


Suschen
(zu Görg)
Du rührst dich selbst vom Flecke kaum,
Und drehst und schwingst und tummelst mich,
Ich gaukle auf und nieder dich,
Wie's Eichhörnlein am Eichenbaum


Kurt
So heiser auch die Geigen tönen,
Ist's doch ein lieblicher Gesang,
Vergleich ich das dem Windesstöhnen,
Dem Schrei bei Schiffesuntergang.


Hans
(zu seiner Tänzerin)
Du dickes Teerfaß, rühr dich fein,
Sonst schlag ich dir die Dauben ein!


Kathe
So laß mich los, du toller Schuft!
So laß mich schnappen nur nach Luft!


Hans
Fort, fort, mein Schweinchen, ohne Rast!
Der Walzer, Kind, ist keine Mast;
Ich will von deinem lieben Ranzen
Ein bissel dir heruntertanzen.


Kathe
Weh mir! helft mir von diesem Flegel!


Hans
Du keuchst wie ein zerrißnes Segel,
Ein kleines Weilchen, dicke Seele,
Erlaube, daß ich dich noch quäle.


Görg
(setzt sich mit seiner Tänzerin an Fausts Tisch)
Komm, Kind, und laß dein Blut verwallen,
Setz dich zu mir.
(Zu Faust)
Euch trink ich's zu!


Faust
Ich fand an dir ein Wohlgefallen,
Stoß an, mein wackrer Bruder du!
Du sprachst zuvor ein tüchtig Wort
Vom Leben; Bruder, fahre fort,
Erzähle weiter mir ein Stück,
Was du vom Leben hältst und seinem Glück?


Görg
(trinkend) Sie haben mich stockfinstrer Nacht
In diese Welt hereingebracht,
Ich weiß kein Wort, auf welchen Wegen,
Ist just auch nichts daran gelegen.
Nun bin ich da, hab meinen Platz,
Der ist gut gnug, ist grade recht,
Denn daß ich nach dem Busenlatz
Fortunas schiel, ist mir die Welt zu schlecht.


Faust
Sag an, glaubst du an einen Gott?


Görg
Du zeigtest dich im Sturme fest,
Drum sich's mit dir verkehren läßt,
Sonst schickt' ich dich jetzt heim mit Spott.
Ich glaube - Kameradenwort,
Bei gutem Wind wohl an den Port,
Ich glaube, daß ein Schiff versinkt,
Wenn es zuviel Gewässer trinkt,
(Er trinkt)
Wie selber ich zu Boden sänke,
Wenn ich zuviel vom Weine tränke;
(Er küßt seine Dirne)
Ich glaub an diesen süßen Kuß;
Ich glaube, daß ich sterben muß.


Faust
An Gott vor allem glaubst du nicht?


Görg
Ich schaute nie sein Angesicht,
Niemals mir seine Stimme klang;
Wenn er von mir was haben will,
So blieb' er nicht so mausestill,
So gab er mir ein Zeichen lang.


Faust
Gab er dir nicht in Berg und Tal,
In blauer Luft, in Wetterstreichen,
Im großen Meer, im Sternenstrahl,
Daß er da herrscht, ein starkes Zeichen?


Görg
Soll all das mir zum Zeichen frommen,
So muß er früher selber kommen,
Daß ich von ihm erst fassen lerne:
Was sagt: Berg, Tal, Luft, Meer und Sterne?
Das alles ist mir vorderhand
Nur eben Stern, Luft, Meer und Land.
Was ich nicht fasse und verstehe,
Darf nicht dem Herzen in die Nähe.


Mephistopheles
Ihr mochtet wohl in frühern Zeiten
Durch goldne Weizenfelder schreiten;
Saht Ihr's auch an den ährenwogen:
Daraus wird Branntwein abgezogen?
So seht Ihr's Berg und Tal nicht an,
Und nicht der Luft, dem Ozean,
Und nicht dem vollen Firmament,
Was draus der Mensch für Geister brennt.
Man hat daraus hervorgebracht
Den Wunderschnaps die Trinität,
Der mit betäubend süßer Macht
Dem Menschenvolk zu Kopfe geht.
Tut einen herzhaft starken Zug
Vom dreimal abgezognen Geist,
Gebt acht, wie Euch im Taumel kreist
Das schwache Haupt, Ihr habt genug.
Das ist ein tiefer Rausch, den man
Im Grabe kaum verschlafen kann.
Seht meinen Freund hier, Doktor Faust,
Wie hat er doch im Schiffe neulich,
Als da der tolle Sturm gehaust,
Auf seinen Gott gezankt so greulich!
Das war, verlaßt Euch drauf, mein Lieber,
Noch immer was vom Glaubensfieber,
Es war der Seele krankhaft Rütteln,
Den alten Rausch hinauszuschütteln.


Faust
Ein Herz hat Ruh', das nie geglaubt;
Und glücklich, wen die böse Stunde,
Die seines Glaubens ihn beraubt,
Gleich drauf verscharrt im Grabesgrunde!


Görg
Noch wankt es unter deinem Fuß,
Hast keinen festen, sicheren Genuß.
Pflück ich ein Weib, macht mir's mehr Skrupel nicht,
Als brech ich dieser Flasche hier den Kragen;
Mein Liebsgenuß ist große Zuversicht,
Mein Trinken unverwüstliches Behagen.


Faust
Glückselig ist, wer unerwacht
Hinüberträumt in jene Nacht,
Wem noch ein gläubiges Gebet
Wie Frühlingsluft von dort - sein Licht ausweht.


Görg
Mein edler Freund, ich glaube fast,
Daß du zuviel getrunken hast,
Zwar nicht vom Wein, den wie ein Krankes
Du kaum benippt hast und berochen,
Wohl aber jenes Wundertrankes,
Von dem dein Kamerad gesprochen.


Faust
Der Seligste von allen ist,
Wer schon als Kind die Augen schließt,
Wes Fuß nie auf die Erde tritt,
Wer von der warmen Mutterbrust
Unmittelbar und unbewußt
Dem Tode in die Arme glitt!


Görg
Schon bricht die wilde Lust die letzten Schranken;
Die Kerle toben hier so freudengrimmig,
Dabei so ungeschlacht und bärenstimmig,
Man überhört die eigenen Gedanken.


Lieschen
(die schönste Dirne zu Faust)
Ihr seid ein herrlicher Mann, o führt
Zum Tanz mich, dem schönsten in meinem Leben!
Leicht werd ich und flüchtig und ungespürt,
Wie die Stunde des Glückes dahin Euch schweben.
O freue dich! höre die lustigen Geigen!
Umschlinge mich, Schönster, zum seligen Reigen!


Faust
Laß ab von mir, ich tanze nicht;
Mach kein so lustiges Gesicht,
In deinem Auge steht es klar,
Daß deine ganze Lust nicht wahr;
Im tiefsten Aug' der trübe Schatten,
Den mir kein Lächeln täuschend lichtet,
Das ist das dunkle Bild vom Gatten,
Vom Mutterglück, das du vernichtet.
Was dich in meine Nähe trug,
Das war vielleicht Verwandtschaftszug:
Wir beide traten auf der Reise
Keck aus dem vorgebahnten Gleise,
Denn was dem Mann Erkenntniskraft,
Ist für das Weib die Mutterschaft;
Faßt er damit getrost ein kleines Stück
Der großen Welt, ward er zum Heil geboren;
Sie faßt die ganze Welt im Mutterglück,
Und tut sie's nicht, ist sie verloren.


Kurt
Hurra! so hab ich keine noch durchwacht,
O lebensheiße, volle, starke Nacht!


Michel
(Kurt umarmend)
Du bist der Tollste von uns allen,
O laß mich um den Hals dir fallen.


Görg
Faust, bist du denn ein Weiberfeind?
Das schöne Kind kam dir mit feiner Art,
Du stießest sie zurück so schnöd und hart,
Dort steht sie nun im Winkel still und weint.
Daß sie nun weint, kann mich nicht rühren,
Das Mädel hat in dieser Stund'
So viel gejubelt ohne Grund,
Mag sie nun auch zum Wechsel Tränen führen.
Doch hast du etwa einen Keuschheitspakt,
So fänd' ich's albern, Freund, und abgeschmackt.


Faust
Ich habe auf der See die langen Tage
Mir überdacht des Lebens manche Frage,
So konnt' ich auch die Liebeslust bedenken,
Und mag damit nicht weiter mich befassen.
Die Lust soll sich der Stolz nicht schenken lassen
Von der Natur, auch wenn sie wollte schenken;
Doch will sie nicht, es ist ein Mäklergeist,
Der überall genau sie rechnen heißt;
Wer ihr die Liebeslust nicht unverdrossen
Heimzahlt in treuer Sorge für die Sprossen,
Hat sie geprellt und muß bezahlen
Die Mahnerin mit Herzensqualen.
Nun bin ich dieses Handels quitt,
Der ich für die gebrochne Treue
Verdruß genug im Herzen litt,
Bis ich den Jammerbalg erschlug, die Reue.


Mephistopheles
Mein Faust, der ist gedankenkrank;
Doch ist sein schwarzer Predigerschwank
Für Schenken schlechter Zeitvertreib.
Erst lag in Metzenaugen Trauerspur,
Nun läßt er gar hausieren die Natur
Mit Liebeslust als Krämerweib.


Görg
Ei was Natur! wer ist denn die?
Wo steckt sie denn? Ihr saht sie nie;
Auch so ein abgezogner Geist,
Der Euch im trunknen Kopfe kreist?


Mephistopheles
(zu Görg)
Längst hätt' ich gern, doch wagt' ich's nicht,
Euch meine Freundschaft angetragen.


Görg
Ihr seid mir der fatalste Wicht,
Der mir vorkam in meinen Tagen!
(Zur Dirne)
Komm, Mädel, tanzen wir eins rum!


Dirne
Bin froh, schon ward mir angst und bang
Vor eurem ernsthaften Gebrumm;
Gescheiter ist der Fiedelklang.


Faust
Der Görg da sprach so manches Wort,
Das mich beschäftigt fort und fort.
Ein voller Mann! er steht so fest,
Ob Gott ihn und Natur verläßt. -
Nun will ich in die Nacht hinaus,
Zu laben mich am Sturmgebraus.
(Geht ab)


Hans
Seht nur den Kurt an, wie er tollt!
Er dreht die Dirne unter Küssen,
Er drückt sie jubelnd an das Herz,
Und stampft die Erd', ob er sie wollt'
Wegstoßen unter seinen Füßen
Und jauchzend fliegen himmelwärts.


Kurt
O schönes Kind! so tanzt' ich ewig gerne!
O süßes Kind! dich lieb ich ungeheuer!
O könnte doch mein wildes Liebesfeuer
Zusammenschmelzen uns zu einem Sterne,
Der freudestrahlend durch die Himmelsweiten
Hinraste tanzend alle Ewigkeiten!





Fausts Tod

Klippenstrand. Nacht. Fortwährender Sturm Faust
(auf einem Felsen sitzend)
Der starke Görg hat meiner Nacht
Auch keinen Funken Trost gebracht.
Nach dem, was er so kalt entbehrt,
Hat er mein Sehnen nur vermehrt.
Wohlan, mein Herz! in dieser Stunde
Will ich in dein Geheimnis schauen,
Und greifen tiefst in deine Wunde;
Halt fest und duld es ohne Grauen!
Auf diesem Fels, in Sturmesmitten,
Werd ich's entsetzlich nun gewahr,
Wie ich der Lieb' und Heimat bar,
So ganz allein und abgeschnitten.
Die Welle die der Sturm bewegt,
Die schäumend an die Klippe schlägt,
Der Wind, der heulend Wälder splittert,
Der Blitz, der durch den Himmel zittert, -
Mehr Heimat haben sie und Ruh',
Mein einsam Herz, als du!



Ich habe Gottes mich entschlagen
Und der Natur, in stolzem Hassen,
Mich in mir selbst wollt' ich zusammenfassen;
O Wahn! ich kann es nicht ertragen.
Mein Ich, das hohle, finstre, karge,
Umschauert mich gleich einem Sarge.
Im Starrkrampf wilder Eigensucht
Warf mich der Teufel in die Schlucht.
Lebendig in den Grabesfinsternissen,
Hab ich, erwacht, die Augen aufgerissen,
Und ich begann mit unermeßnen Klagen
Mich selber anzunagen.
Ich habe nun gesprengt die dumpfe Haft,
Mit doppelt heißer Leidenschaft
Streck ich die Arme wieder aus
Nach Gott und Welt aus meinem Totenhaus.
Nach Gott? - doch nein! - der Kummer ist es nur:
Könnt' ich vergessen, daß ich Kreatur!
Ein unersättliches Verlangen
Ist meinem Innern aufgegangen;
Erst war's ein glühendes Entbrennen,
Die Welt zu fassen im Erkennen;
Nun würde mir, geschöpft in vollsten Zügen,
Erkenntnis nimmermehr genügen.
Wenn ich die Welt auch denken lerne,
So bleibt sie fremd doch meinem Kerne,
In Einzelwesen kalt zertrümmert,
Wo keines sich des andern kümmert.
Solang ein Kuß auf Erden glüht,
Der nicht durch meine Seele sprüht,
Solang ein Schmerz auf Erden klagt,
Der nicht an meinem Herzen nagt,
Solang ich nicht allwaltend bin,
Wär' ich viel lieber ganz dahin. -
Ha! wie das Meer tobt himmelwärts,
Und widerhallt in dir, o Herz!
Ich fühl's, es ist derselbe Drang,
Der hier in meinem Herzen lebt,
Und der die Flut zum Himmel hebt:
Die Sehnsucht nach dem Untergang;
Es ist das ungeduld'ge Zanken,
Hindurchzubrechen alle Schranken,
Im freudevollen Todesfalle
Zusammzustürzen alle - alle! -



O greife weiter, weiter, Sturm,
Und nimm auf deine starken Schwingen
Den höchsten Stern, den tiefsten Wurm,
Uns endlich alle heimzubringen!



Wie hier der Sturm die Flut aufwühlt,
So rührt er mir die Seele auf,
Daß sich Vergeßnes wiederfühlt,
Aus meiner Jugend frühstem Lauf.
Als ich ein frischer Knabe war,
Und einst dem Priester am Altar
Die Mess' bedient' als Ministrant,
In seine Formeln stimmend ein
Mit unverstandenem Latein,
Das von den Lippen mir gerannt,
Wie's Bächlein übern Kiesel geht,
Der vom Gemurmel nichts versteht,
Als ich das Glöcklein schellt' und lustig schwenkte
Das rauchende Turibulum:
Da schien dem Knaben plötzlich alles krumm,
Mein Herz ein stolzer ärger kränkte,
Daß ich dem Gottesbild zu Füßen
Hab knien und opferrauchen müssen,
Mir schien's an meinem Werte Spott,
Daß ich nicht lieber selbst ein Gott.
Was noch als Irrlicht, flüchtig, leicht,
Dem Knaben durch die Seele streicht,
Kehrt in die Brust des Manns einmal
Plötzlich zurück als Wetterstrahl.
O welche Qual in dem Gedanken:
Daß die Geschaffnen, Schlingepflanzen,
Den Urstamm ihres Gotts umtanzen,
Von ihm getragen aufwärts ranken!
Betracht ich's scharfen Angesichts,
Ist solch ein Los im Grunde nichts.
Das Schlinggewächs ist Gaukelschein,
Bestand und Kraft der Stamm allein.
Woher ist mir der Stolz gekommen?
Geschöpfen kann nur Demut frommen;
Doch ist mir Stolz ins Mark gefressen.
Abhängigkeit, den Sklavenring,
Der diesseits ehern mich umfing,
Soll ich ihn jenseits nicht vergessen?
Mit ihm all die Entwicklungstreppen
Der Ewigkeit hinan mich schleppen?
Ha! lieber soll mein stolzer Geist,
Der Gott zu sein mich wünschen heißt,
Mit meinem Leib zugleich versiechen,
Und sich als Grabgewürm verkriechen,
Und, dringt er je aus meiner Gruft,
Als fauler Dunst verfahren in die Luft. -



Doch - ist das alles nicht ein trüber Schein?
Und daß ich abgeschnitten und allein?
So ist's! Ich bin mit Gott festinniglich
Verbunden und seit immerdar,
Mit ihm derselbe ganz und gar,
Und Faust ist nicht mein wahres Ich.
Der Faust, der sich mit Forschen trieb,
Und der dem Teufel sich verschrieb,
Und sein und alles Menschenleben,
Des Guten und des Bösen übung,
Der Teufel selbst, dem jener sich ergeben,
Ist nur des Gottbewußtseins Trübung,
Ein Traum von Gott, ein wirrer Traum,
Des tiefen Meers vergänglich bunter Schaum.
Und zeugt der Mensch, wie Faust, ein Kind,
Ein Traum dem andern sich entspinnt;
In jedem Kind, in jedem Morgenrot
Sich Gottes Phantasie erfrischt.
Und schlägt ein Mensch, wie Faust, den andern tot,
Ein Traum den andern nur verwischt.
Ergreift den Menschensohn mit Macht
Des Forschens Trieb und Ungeduld,
Daß er bei Tag und später Nacht
Um einen Blick der Wahrheit buhlt,
So ist's vielleicht, daß Gott im Traume spürt,
Er träume nur, und daß Erwachensdrang
Im Morgenschlaf an seinem Traume rührt?
Und schlummert er vielleicht nun nimmer lang?
Du böser Geist, heran! ich spotte dein!
Du Lügengeist! ich lache unserm Bunde,
Den nur der Schein geschlossen mit dem Schein,
Hörst du? wir sind getrennt von dieser Stunde!
Zu schwarz und bang, als daß ich wesenhaft,
Bin ich ein Traum, entflatternd deiner Haft!
Ich bin ein Traum mit Lust und Schuld und Schmerz,
Und träume mir das Messer in das Herz!
(Er ersticht sich)


Mephistopheles
Nicht Du und Ich und unsere Verkettung,
Nur deine Flucht ist Traum und deine Rettung!
Des wirst du bald und schrecklich dich besinnen,
Laß nur des Herzens Wellen erst verrinnen.
Ist erst der Strom des Blutes abgeflossen,
Der brausend das Geheimnis übergossen,
Kannst du hinunterschauen auf den Grund,
Dann wird dein Wesen dir und meines kund.
Mich wird man nicht so leichten Kaufes los.
Du töricht Kind, das sich gerettet glaubt,
Weil's nun mit einmal sein geängstet Haupt
Dem Alten meint zu stecken in den Schoß,
Und ihm den Knäul zu schieben in die Brust,
Den's frech geschürzt, zu lösen nicht gewußt.
Er wird nicht Mein und Dein mit dir vermischen,
Das tote Glück dir wieder aufzufrischen.
Du warst von der Versöhnung nie so weit,
Als da du wolltest mit der fieberheißen
Verzweiflungsglut vertilgen allen Streit,
Dich, Welt, und Gott in eins zusammenschweißen.
Da bist du in die Arme mir gesprungen,
Nun hab ich dich und halte dich umschlungen!